Neuseelands Südosten
Neuseelands Südosten
Sonntag sind es nur etwa 60 Kilometer bis Te Anau, jenem Ort der von sich behauptet ein idealer Stützpunkt für Ausflüge im Fjordland zu sein. Te Anau liegt am gleichnamigen See und ist ein typischer Touristenort mit Information, die wir auch gleich besuchen. Abgesehen davon das Robert immer noch nicht ganz fit ist und damit längere Wanderungen erstmals ausfallen, stellt sich auch heraus, dass das Angebot an kürzeren Touren oder Wanderungen eher bescheiden ist. Der See bietet nicht wirklich viel und der Weg zum Milford Sound ist von hier noch weit, die Straße als extrem schlecht und gefährlich beschrieben. Ab Dienstag soll es hier regnen, da ist die Straße dann eventuell auch zeitweise gesperrt. Eine Teilstrecke des Kepplertracks führt entweder am Seeufer entlang oder am Fluss, beides nicht wirklich ein Highlight. Es ist erst 10 Uhr vormittags und wir entschließen gleich die 20 Kilometer weiter nach Manapouri zu fahren, der südlichste Ort im Fjordland der ebenfalls an einem See liegt und dahinter Zugang zum Doubtful Sound hat. Wir checken gleich in der Possum Lounge ein, ein netter und günstiger Campground und gehen am Uferweg zum Bootsanleger mit Touristinfo. Das einzige, was lohnend ist, wäre eine Tagesbootstour im Doubtful Sound, leider die ganze Woche schon ausgebucht. Aber wir können am Nachmittag, bzw. in der Früh auf der Internetseite schauen ob Plätze frei geworden sind, Montag wäre noch günstig, Dienstag regnet es wahrscheinlich schon.
Der Ort ist schnell besichtigt, der Strand ist schön und weil in der Sonne fast ohne Sandfliegen können wir dort auch eine Weile sitzen. Nachmittags verbringen wir wieder am Campground, nutzen die Infrastruktur, Waschtag und nebenbei schau ich halbstündlich ob was frei geworden ist. Um drei Uhr hab ich es geschafft, zwei Plätze für Montag, um 10 Uhr geht's los. Das Schiff fasst 130 Gäste, man kann im Salon mit Panoramascheiben sitzen oder draußen am Bug oder Heck Ausschau halten. Der Tag ist bewölkt, nass und der Fahrtwind kalt, da hält man es nicht zu lange draußen aus, aber zum Fotografieren muss man einfach raus und wenn das Schiff langsam an Wasserfällen, Inseln oder Felsen vorbei fährt sieht man draußen auch viel besser. Zuerst geht es über den See vorbei an zahlreichen Inseln bis zum Anleger Manapouri Turbine Runner. Hier liegt ein technisch interessantes Wasserkraftwerk welches den gesamten Strom für den südlichen Teil Neuseelands liefert, inklusive der Aluminium- und Düngemittelindustrie ganz im Süden der Insel. Die Hochspannungsleitungen zieren nicht unbedingt die Umgebung, gehören aber natürlich dazu. Das Kraftwerk selbst ist ein größerer Bau, Wasser verschwindet in einer Wand und wird in Stollen an den Turbinen vorbei geleitet, von außen sieht man davon gar nichts und weil kein Fluss weg führt gibt es auch keine Staumauer. Interessant ist, dass trotzdem ursprünglich ein Stausee entstehen sollte, so groß, dass er Te Anau und Manapouri verschluckt hätte, oder zumindest alles was dazwischen liegt. Umweltschützer konnten mit einer großen Kampagne den Bau verhindern, das größte Naturschutzgebiet Neuseeland konnte entstehen und das Kraftwerk bringt auch so genug Strom.
Vom Anleger geht es in Bussen 20 Kilometer über den Wilmotpass zum Anleger im Douptful Sound. Während der gesamten Reise gibt es viel Information von den Guides, das haben die wirklich gut drauf. Dreieinhalb Stunden dauert die Fahrt durch die Sounds beeindruckend die hohen Berge, die nahezu senkrecht ins Meer gehen, hohe Wasserfälle bilden silberne Streifen zwischen Fels und grüner Vegetation. Vögel singen, sonst hört man nur die Motoren des Schiffes und als der Kapitän die Maschinen für einige Minuten abstellt, konnte er die sagenhafte Stille dieser einsamen Umgebung einfangen. Wir kennen das, denn wenn wir unter Segel unterwegs sind, ist es immer so still, nur der Wind und die Welle, wenn es eine gibt erzeugen das unbeschreibliche Rauschen der See.
Ganz draußen, wo sich das offene Meer zeigt ist der Abstand zwischen den Felsen gerade mal 4 Kilometer, innen sind es oft nur einige hundert Meter. Auf den Felsen liegen Seehundkolonien, ein Wal zeigt kurz seine Flosse, Pinguine schwimmen vorbei, könnten aber auch andere Vögel sein, man sieht sie nur kurz. Es gibt zwei Einfahrten und einige Seitenarme, die längste Distanz ist 40 Kilometer, die Landschaft ist faszinierend. Eigentlich handelt es sich hier um Fjorde, die aus Gletschern entstanden sind, Süßwasser kommt nur über Wasserfälle aus den Bergen in die Meeresarme, es gibt keine Flüsse die ins Meer gehen. Mit über 400 Metern an der tiefsten Stelle gehört er zu den tiefsten Fjorden, kein Wunder, dass James Cook skeptisch war ob Seefahrer hier anlanden können.
Wir hatten Glück mit dem Wetter, bei der Rückfahrt regnet es schon und Dienstag laufen wir im Regen zur Toilette bevor wir weiter Richtung Süden ziehen. Angeblich regnet es hier zwei von drei Tagen, also nichts wie weg. Wie vom Wetterbericht vorher gesagt wird es in den weiten Ebenen und Richtung Südküste doch noch etwas sonnig, der Wind, der inzwischen deutlich zugelegt hat treibt die schwarzen Wolken vor sich her.
An der Monkey Bay erreichen wir erstmals die Südküste, lange, breite Strände mit heran rauschenden Wellen sind als Surfstrände berühmt. Wenn man sich da mit den Gewalten messen möchte sicher ein guter Ort. Nachmittags verbringen wir in Riverton, einer der Orte, die sich an einer Flussmündung mit kleinem Hafen und ein wenig Industrie entwickelt haben. viele Geschäfte, Hotels, Lokale sind geschlossen, haben sie die Pandemie nicht überlebt oder stirbt hier der Tourismus ohnehin langsam? Wie überall gibt es an den Hängen Siedlungen mit Einfamilienhäusern, in Neuseeland wohnt man auch in den Städten nicht in Wohnungen, mehrstöckige Häuser sind absolute Rarität. In der Hauptstraße stehen die alten Gebäude, ehemals Handwerksbetriebe, Fabriken, Hotels, die auch heute noch das Zentrum der Orte bilden. Am Hafen wirbt ein größerer Schlachtbetrieb mit Heimtötung, direkter Verarbeitung und Verkauf, sonst liegen ein paar Fischkutter an Stegen, Austern zählen hier zu den Spezialitäten. Auf dem Weg nach Invercargill gibt es noch einen Campground Nähe des Flusses, die Stadt selbst ist zu groß und bietet keine ausgewiesenen Plätze zum freien Übernachten.
Invercargill hat 59000 Einwohner und ist das südlichste Zentrum Neuseelands, wirbt auch damit eine moderne, lebendige Stadt zu sein. Hier hat sich alles an Betrieben und Geschäften angesiedelt und am Meer steht das große Aluminiumwerk welches den Strom aus dem Kraftwerk im Manapouri See bezieht. Die Umgebung ist flach, Wiesen und teilweise Felder soweit das Auge reicht, die Straßen endlos geradeaus. Hier gibt es neben Schafen und Kühen Rotwild, angeblich die größte Produktion der Südhalbkugel. Die Stadt ist anders, nicht nur die Einfahrtsstraßen sind vierspurig mit Mittelstreifen, Radweg und Parkplätzen, fast alle Straßen sind überdimensional breit, die Einfamilienhäuser sind mit großzügigen Gärten umgeben. Dadurch macht es auch nicht wirklich Spaß zu Fuß die Stadt zu erkunden. Wirklich schön ist der Queens Garden, mit alten Bäumen, Rosengarten, Kräutergarten und vielem mehr.
Schlussendlich können wir das Zentrum auch noch eingrenzen, zwischen Bahnhof und Queens Garden befinden sich die meisten alten Gebäude, ein schönes Opernhaus, große Bankhäuser, Kirchen, Lokale und Geschäfte, immer wieder dazwischen moderne Bauten und die Straßen in diesem Viertel werden gerade zu Fußgängerzonen umgebaut. Wo das Zentrum beginnt erkennt man auch an den Parkzonen, denn hier muss man zwei Dollar pro Stunde in den Automaten werfen.
Später am Nachmittag fahren wir noch an den südlichsten Zipfel, nach Bluff, hier gibt's an einer Aussichtsplattform wieder die Möglichkeit über Nacht zu stehen, Blick auf Steward Island, welches in einer Stunde mit der Fähre zu erreichen ist. Leider beginnt es wieder zu regnen und der Wind legt zu. Erneut erleben wir so eine Nacht wie in Wellington, die Geräuschkulisse ist enorm und es wird kalt, gut, dass wir genug Decken dabei haben. Jetzt ist es soweit, eine Front mit südwestlichen Winden zieht genau über die Südinsel, die nächste Woche wird durchwachsen, da können wir froh sein, wenn es nicht zu viel regnet, gegen Kälte kann man sich ja schützen.
Donnerstag können wir in Bluff die Wanderung zum Lookout, zum Sterling Point und zum Leuchtturm bei Sonnenschein unternehmen, ab vier Uhr türmen sich erneut die Wolken, in der Nacht schüttet es, Freitag bleibt es scheußlich, wir machen die letzten Einkäufe in Invercargill und fahren dann weiter Richtung "The Catlins", dort wollen wir uns die nächsten Tage aufhalten. In Fortrose gibt es wieder eine Wiese auf der man frei stehen darf, außer uns stehen noch weitere drei Camper da. Ein junges Pärchen nutzt den starken Wind zum Kitesurfen, mir wird in Fleecepullover, langer Hose und Wollsocken kalt beim Zuschauen. Hier verlässt man die Hauptstraße und nimmt unzählige Nebenstraßen in The Catlines, um viele der besonderen Orte an diesem Küstenabschnitt zu besuchen.
Da ist der Waipapa Point mit einem historischen Leuchtturm und einem Friedhof für die Opfer einer Schiffskatastrophe 1881. Damals hat man für die Strecke nach Fortrose einige Tage benötigt und es war unmöglich alle angespülten Leichen mit Kutschen dort hin zu transportieren, daher hat man ein provisorisches Krematorium gebaut und hier die Bestattung organisiert. Überall bekommt man Einblicke in die Geschichte der ersten Siedler und nicht nur hier liegt zahlreiche Schiffswrack auf Grund. Der Ausblick über die Klippen und Strände ist wunderschön und gleich bei unserem ersten Spaziergang am Strand stolpern wir nahezu über einen Seehund. Wenn sie schlafen wälzen sie sich oft vorher im Sand und sind so farblich kaum zu erkennen. Wenn man ihnen zu nahe kommt schrecken sie auf und gehen gleich auf Verteidigung. Ein bisschen Drohen schadet nie, bei uns wirkt es, ich lass die Kamera beinahe fallen und mach einen schnellen Abgang. Am besten besucht man die Strände bei Niedrigwasser, da kann man auch über die Klippen wandern, Felsformationen bewundern und Platz für Mensch und Seelöwen ist auch deutlich mehr als bei Hochwasser. Wir haben genug Zeit und lassen uns den kurzen Abstecher zum Slope Point nicht nehmen, angeblich der südlichste Punkt Neuseelands, Schilder auf einer Wiese, steile Klippe zum Meer, offener Blick Richtung Südpol, der etwa genauso weit weg ist wie der Äquator. Hier sind wir schon in den Roaring Forties, strenger kalter Westwind, raue See, für uns ein zu gefährliches Segelrevier, da möchten wir nicht mit dem Schiff unterwegs sein.
Ein paar Kilometer weiter liegt die Curio Bay, die nicht wegen einem besonders schönen Strand, sondern wegen der Felsen berühmt ist. Bei Niedrigwasser sieht man versteinerte Bäume die 170 Millionen Jahre alt sind zwischen den Felsen rumliegen. Mir fehlt für solche Zeitdimensionen die Vorstellungskraft, aber ein Gefühl der Unendlichkeit in Zeit und Raum macht sich hier an der Küste breit. Wie toll ist die Welt und das Universum und wir betrachten alles als Selbstbedienungsladen und beuten die Ressourcen schonungslos aus.
Hoffentlich ist die Menschheit doch noch reif genug um das Ruder rum zu reißen.
In dieser recht abgeschiedenen Gegend haben sie das Freedom campen eingeschränkt, vielleicht weil zu viele Leute doch zu viel Mist hinterlassen haben, wieder ein Beispiel der menschlichen Blödheit. Wir stehen einmal an einem Picknickplatz mitten im Wald, zweimal auf ausgewiesenen Parkplätzen in Ortschaften. Beides hat seine Vorteile, entweder total ruhig und einsam, ohne Internet, oder etwas belebter dafür mit gewohnter Infrastruktur und sogar Dusche für ein paar Dollar. Jeden Tag fahren wir weiter und besuchen Strände, Aussichtspunkte, Wasserfälle, kleine Seen, jeder Tag gefüllt mit vielen intensiven Eindrücken. Besonders war die Wanderung auf der Surat Bay, dort haben wir einige Seelöwen hautnah erlebt, die Bullen sind so aufbrausend, dass wir uns schlussendlich an einigen Schlafenden nicht mehr vorbei getraut haben. Die sind rasch wach und auch am Strand erstaunlich schnell, brüllen gleich mal mit weit offenem Maul herum und schnaufen wenn sie ihr Revier ausreichend verteidigt sehen. Der vorgeschlagene Abstand von 20 Metern scheint einigen nicht ausreichend zu sein, wahrscheinlich mögen sie es nicht wenn man stehen bleibt und sie fotografiert oder filmt.
Zum Nugget Point fahren wir, weil er überall als besonders beschrieben ist, Klippen, haben wir jetzt schon einige abgelaufen. Die Straße hin ist eng und kurvig, auf den Stränden und Felsen liegen wieder Seelöwen, teilweise ganze Kolonien mit Jungen. Der Weg entlang der Klippen ist wirklich toll, man kann im klaren Wasser auch Seelöwen schwimmen sehen und beim Leuchtturm haben sie eine fast frei schwebende Plattform installiert, für mich ein absolut toller Ort. Ich bleibe überall länger stehen und beobachte das Meer und die Tiere. Die Nuggets, Felsen die im Meer verstreut liegen sind zusätzlich noch sehr fotogen, ein wirklich toller Ort.
Einmal bleiben wir noch am Meer stehen, wir wollen Dunedin in der Früh erreichen und uns mal einen Überblick von der Stadt verschaffen bevor es Nacht wird. Ich lese alles was mir an Prospekten, Büchern und Berichten unter kommt und zusätzlich stolpert man manchmal rein zufällig über kleine Besonderheiten. So findet sich auch ein Salzwasserpool am Rand der Stadt mit Blick über den Sandstrand und raus aufs Meer. Eine kleine feine Badeanlage mit nettem Café und für uns seit Längerem wieder warme Duschen. Neben dem Schwimmbecken mit 28 Grad gibt es noch ein Thermalbecken mit 34 Grad, angenehm bei den Temperaturen sich mal so richtig auf zu wärmen. So vergeht der Vormittag und Nachmittag nutzen wir um auch unserer Wäsche wieder Frische einzuhauchen. Der Parkplatz nahe am Meer umgeben vom Spiel- und Sportplatz ist ein fast perfekter Platz, nahe am Zentrum und trotzdem im Grünen. In der ersten Nacht geht wieder mal heftiger Wind und etwas Regen über uns hinweg, in der Früh ist in jeder Ritze des Autos Sand, die Schiebetüre lässt sich kaum mehr aufschieben. Robert kann zum Glück den Sand abbürsten, so ersparen wir uns eine Waschstraße. Donnerstag geht's dann in die Stadt, hier gibt es einen achteckigen Platz und rund herum einige größere Straßen mit ein paar Kirchen und alten Gebäuden. Die Geschäftsstraße ist belebt, es macht Spaß zu flanieren und das Treiben auf sich wirken zu lassen. Besonders auffällig sind die schönen Portale, Glastüren, Fenster mit bunten Einlagen, reichlich Verzierung und auch das Interieur der Lokale ist oft gemütlich und originell.
Dunedin ist eine Studentenstadt mit Tradition, das merkt man, ein Hauch mehr international als anderswo. An den weiteren Tagen besuchen wir die Halbinsel mit der Albertrosskolonie, leider bei Regen, das Museum der Zeitgeschichte und den botanischen Garten. Das Museum ist gut gemacht, viele Schautafeln mit kurzen Erklärungen, alte Fahrzeuge und jede Menge Gegenstände die wir auch aus unserer Jugend noch kennen. Ein Schiffsbauch der damaligen Reisenden ist auch in die Halle gebaut, eng und dunkel zwängt man sich an den Betten vorbei, der Esstisch und die Toilette sind auch nicht gerade einladend. Kurze Filme zeigen wie Familien mit Säuglingen unter diesen Bedingungen gereist sind inklusive Seekrankheit und kleiner Operation am Boden des Schiffes, da ist man fast live dabei.
Zu Dunedin`s Berühmtheiten gehört auch die angeblich steilste Straße, wir fahren direkt vorbei und machen kurz Stopp, am Foto sieht man Steigungen ohnehin nicht gut und sie kommt uns auch nicht so besonders vor, muss man nicht gesehen haben.
Wir haben noch genug Zeit und entschließen uns doch noch den Abstecher in die Berge zu machen. Zuerst geht es noch ein Stück die Ostküste Richtung Norden, dann biegen wir ab ins Waitaki River Tal.