Tonga
Samstag Früh geht's los, 250nm bis Neiafu auf Vava'u, Kurs genau West. Zuerst müssen wir nochmal raus um im Yachtclub den geborgten Router zurück zu geben und uns das von Ihnen für uns geschickte Einreiseformular für Tonga zu holen. Vor acht Uhr geht da gar nichts, erst auf unseren Anruf über die Telefonlady kommt Brian, händigt uns das Dokument aus, nimmt den Router entgegen und verabschiedet sich von uns. Hier sind wirklich alle sehr nett und bemüht, man hat das Gefühl dass sie sich über Besucher, auch Segler sehr freuen. Vorher hatten wir noch ein längeres Gespräch mit einem Einheimischen der gerade einen Boden gestrichen hat. Er meinte, dass das Leben hier auf der kleinen Insel sehr schön ist, er war lange in Neuseeland und ist jetzt wieder zurück in sein Heimatland. Es wandern viele aus, zuletzt nach dem Taifun 2004 war fast eine Massenabwanderung, jetzt kommen einige auch wieder zurück. Trotzdem hat es aktuell nur mehr 900 Einwohner, nicht wie im Wikipedia angeführt 1600(2011). Er äußert sich auch besorgt über die zwei Klassen Gesellschaft, es gibt sehr reiche und viele arme Leute und er meint es verschwinden auch immer wieder mal Menschen und keiner weiß wohin. Manchmal findet man Tote im Wald, manche bleiben einfach verschollen und man kann außer mit dem Flugzeug das Land nicht verlassen, also weiß man wo jemand hingeflogen ist. Klingt für mich ein bisschen nach vermuteten Selbstmorden, er spricht es aber nicht aus. Kritisch schildert er uns auch die momentane politische Riege, sie verkaufen gerade das Land an Chinesen- oje, das wäre wirklich schade, aber wie überall anders, auch verständlich, denn sie bekommen Gelder für Infrastruktur und Bildung und wie die Einmischung dann mal aussehen wird ist jetzt noch nicht abschätzbar.
So erhalten wir zum Abschluss noch ein paar Hintergrundinformationen die nachdenklich stimmen. Ein letztes Mal lassen wir unser Dingi mit dem Kran die Kaimauer hinunter, verstauen es an Bord und gehen Anker auf. Niue verschwindet rasch hinter dem Horizont(ist ja so flach), ein sonniger Tag mit reschem Wind, so geht's mit gerefften Segeln zügig Richtung Tonga. In der zweiten Nacht, wir haben weiter gerefft um Geschwindigkeit zu reduzieren sehen wir die zwei amerikanischen Yachten die etwas nach uns von Niue gestartet sind, am AIS und später auch ihre Positionslichter. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit endlich wieder mal ein Biss, eine große Dorade, 10 kg schwer, wehrt sich kräftig bis wir sie an Bord haben und Robert ihr den Kopfstich setzen kann. Zuerst verbeißt sie sich an den Leinen unserer Windsteueranlage an denen wir sie vorbei an Bord bringen müssen. Aus der Verletzung die ich ihr mit dem Gaff zugefügt hab, blutet es stark und versaut und das gesamte Heck. später schlägt sie noch einige Male wie wild herum, da traut man sich fast nicht nahe ran und doch muss Robert sie irgendwie fixieren um sie erlösen zu können. Nach so einem Kampf hab ich ein schlechtes Gewissen, sollte ich nicht doch Vegetarier sein?
Die letzten Stunden der Nacht triften wir der Küste entlang Richtung Einfahrt und mit dem Morgengrauen starten wir unter Motor hinein in die fjordartige Bucht. Vava'u ist eine Inselgruppe wobei die Hauptinsel fast einen Ring bildet, man schlüpft durch eine schmale Einfahrt hinein und dann öffnet sich die große Bucht, fast wie ein Binnensee. Die Fischermole am Hafen von Neiafu, dem Hauptort ist gerade lang genug das alle drei eben einlaufenden Schiffe Platz haben. An die Mole für die Großschifffahrt soll man, wenn geht nicht anlegen, man kann das Schiff bei Niedrigwasser an der Unterkante beschädigen. Es regnet wieder mal und wir warten auf die Behördenvertreter um alle Formalitäten für die Einreise erledigen zu können, erst dann dürfen wir an Land. Unter der Steuerbordsaling weht die gelbe Q- Flagge.
Hier beginnt es deutlich komplizierter zu werden als es in Französisch Polynesien war, es kommt ein Quarantäne-, ein Custom- und ein Gesundheitsbeamter. Zum ersten Mal füllen wir Zettel aus was wir alles an Bord haben, Früchte, Gemüse, Käse,... wir dürfen es behalten, aber nichts davon soll an Land kommen, Biosecurity. Sehr oberflächlich wird geschaut ob wir auch gesund sind, Infektionskrankheiten sollte man keine mitbringen und einschleppen. Wir nießen nur selten, sind gesund, zahlen 100 TOP, die angeblich dem Gesundheitssystem zu Gute kommen.
Die Beamten wollen alle mit Softdrinks bewirtet werden, ein dicker Beamter schläft wie ein Apnoepatient ständig ein, ein anderer lacht sich unseren Gaffhaken an. Auch ohne Geschenke können wir alles erledigen, wir wandern anschließend zur Bank um die anfallenden Gebühren zahlen zu können. Interessanterweise scheinen die Gebühren kein Fixum zu sein, sie variieren von Schiff zu Schiff, ein bisschen Willkür oder Körberlgeld. Insgesamt zahlen wir 122 TOP (50 Euro) damit können wir leben, da kann sich der eine oder andere schon ein wenig was abzweigen. Inge und Thomas von der SY Saga, die schon länger hier sind, begleiten uns gleich mal durch den Ort und zeigen uns wo es was gibt, da hat man rasch den Überblick und auch gleich wieder eine Internetkarte mit 7GB für einen Monat. Auch hier haben wir LTE Netz und wir können so nebenbei alles erledigen und auch ein bisschen im Netz surfen. Der Monat wird sicher rasch vergehen, es ist schön hier, ganz anders, aber auch hier sind die Meisten freundlich, vielleicht etwas geschäftstüchtiger, was manchmal ein bisschen lästig sein kann.
Es gibt einen Markt mit frischem Obst und Gemüse zu guten Preisen, nicht billig, aber fair, ist alles von hier und nicht aus Großanbau. Vor der offenen Halle liegen riesige Wassermelonen neben einander, jede hat ihren Preis mit schwarzem Stift angeschrieben. Daneben reihen sich Yamswurzeln, Taro und Süßkartoffel in Säcken und Maniok in Bünden. Tomaten und Paprika sind in ansehnlichen Häufchen geschlichtet und alles, auch der frische Salat, Zwiebel oder Knoblauch kostet 4 oder 5 TOP, das sind keine 2 Euro. Papaya gibt es zu vier Stück, kann man so rasch gar nicht essen und Ananas sind hier mit 15 TOP eine Versuchung wert. Fast ein bisschen schade dass wir nicht viel kaufen können weil wir ja nach Neuseeland gar nichts einführen dürfen, jetzt heißt es auf essen was bereits an Bord ist- und wir haben noch einiges an Konserven, Linsen, Früchten und zwei Kürbisse.
Bei jedem Landgang schlendern wir auch durch den Markt und jedes Mal geht was mit, zumindest hier gibt es täglich Obst und frischen Salat zu Fisch, Huhn oder Nudeln.
In Tonga sind wir jetzt bereits im westlichen Teil des Südpazifik, der Wiege der polynesischen Kultur. Funde aus 800 vor Christi in Tonga zeigen von der Besiedlung der Inseln durch die Lapita Kultur, Einwanderer aus Mikronesien und Südostasien. Somit scheinen hier, in Fiji und in Samoa die ersten Siedlungen entstanden zu sein, erst später wurden die östlicheren Inseln aufgesucht und besiedelt, also auch die Cookinseln und französisch Polynesien. Tonga war zuerst ein großes Imperium von Häuptlingen, Tu'i (oberster Häuptling) regiert. Daneben gab es noch einige Adelige und der Rest war Leibeigene, also ohne Rechte und arm. Nachdem all die Inseln weit verstreut waren, schien das Imperium eher ein Netzwerk von Seefahrern, Häuptlingen und Abenteurern gewesen zu sein, mit den dazugehörenden Kämpfen. Es gab Camakau und Drua, das sind Auslegerkanus, bis zu 30 Meter lang, mit Masthöhen von 18m und einem Speed von 20 Knoten. Da können wir nicht mithalten. Und bis zu 300 Mann samt Gepäck wurden damit transportiert, unglaublich. Im 15. und 17. Jahrhundert werden Bürgerkriege beschrieben und durch die englischen Seefahrer wurde Tonga zur Monarchie. Damit ist Tonga eine der ältesten Monarchien im Pazifik und ab 1845 wurden die über 170 Inseln mit ihren 747 Quadratkilometern Landfläche, mit einer Nord- Südausdehnung von über 800km und 36 bewohnten Inseln (insgesamt um die 100 000 Einwohner) als Königreich Tonga zusammen gefasst und von König George Topou I regiert. Seither, wie in Monarchien üblich an die Söhne übergeben, sodass jetzt der Tapou der VI an der Macht ist. Als Königreich war es bis 2010 eine Diktatur, wobei die Bevölkerung eher arm, der Adel zunehmend reicher und in dubiose Geschäfte verstrickt war. Die Demokratiebewegung schaffte 2006 mit Aufständen mit einigen Todesopfern und einem vernichtenden Brand der Hauptstadt, die Änderungen einzuläuten. Zuerst wurde der Ausnahmezustand mit militärischer Unterstützung aus Australien und Neuseeland ausgerufen und einige Jahre aufrechterhalten. Der jetzige König Tapou VI führte 2010 die parlamentarische Demokratie ein, seither wird gewählt und das Volk kann mit entscheiden.
Tonga liegt am pazifischen Feuerring, erst heuer im August war ein Unterwasser-Vulkanausbruch und ein Bimsteinteppich trieb Richtung Fiji. 2015 entstand eine neue Insel, 2x1km groß und immerhin 100 Meter hoch. Der 10km tiefe Tongagraben und die tektonischen Verschiebungen zwischen Pazifischer- und Australischer Platte (15-24cm jährlich) sorgen regelmäßig für Erdbeben und Tsunamis rauschen auch regelmäßig über die Inseln. Trotzdem scheinen sich die Zerstörungen in Grenzen zu halten und die Vava'u Gruppe wird auch als sicheres Gebiet in der Zyklonsaison von vielen Seglern genutzt. Wir sind uns noch nicht sicher ob wir das mal nutzen werden, auch in der Karibik sind viele in St. Martin geblieben und haben es teilweise mit dem Schiffsverlust bezahlt.
Wie alle Inselstaaten ist auch Tonga verschuldet und auch hier unterstützt Neuseeland und die Chinesen haben den Fuß in der Tür. Infrastruktur, Bildung und das Gesundheitswesen kosten mehr als verdient wird, exportiert wird wenig und alle Luxusgüter werden importiert. Hier ist Schulpflicht und es gibt sogar eine Universität, fast alle sprechen gut Englisch, ihre Muttersprache ist Tongeanisch, eine polynesischen Sprache. Auch das Gesundheitswesen scheint auf gutem Niveau zu sein. Man liest, dass, wie auch anderswo im Pazifik, die Bevölkerung mit Übergewicht und Diabetes zu kämpfen hat, das reduziert die Lebenserwartung auf knappe 70 Jahre. Der König ging vor einigen Jahren mit gutem Beispiel voran und hat von 210 auf 140 kg abgenommen und einen Preis für den "Jährlichen Abnehmkönig" ausgeschrieben, wirklich schlanke Menschen trifft man trotzdem nicht all zu viele.
Die Kinder sind sehr neugierig und freundlich. Schon die ganz Kleinen nähern sich und lachen, die älteren winken und rufen Hallo and good by, überall trifft man Schuldkinder in ihren Uniformen, auch Burschen tragen Röcke und alle laufen sie barfuß. Wir sind mit den Rädern auf der Insel unterwegs, es gibt viele Schulen, Kirchen und kleine Friedhöfe mit kunstvoll geschmückten Gräbern. Der Begräbniszug wird mit Blasmusik begleitet, klingt wie bei uns zu Hause. Männer tragen traditionell Röcke und geflochtene Scherpen, die manchmal etwas lieblos umgewickelt erscheinen. Die Frauen haben lange bunte Röcke und einen Gürtel mit geflochtenen Streifen als kurzen Rock drüber. In den kleinen Dörfern gibt es Gemeinschaftshäuser in denen die Frauen sich zur Handarbeit treffen. Traditionell werden Körbe geflochten, Baströcke gefertigt und auch hier findet man Tapas und Holzschnitzereien. Früher wurde die Bekleidung aus Tapa gemacht (verarbeitetes Maulbeerholz), fühlt sich an wie dünnes Leder und ist auch so zu pflegen.
Wir erstehen am Markt einen Tiki, einen glücklichen, man erkennt es am Gesichtsausdruck wird uns erklärt. Die für Liebe und Frieden schauen wirklich anders drein, alle sind sie schön gearbeitet, die Auswahl fällt schwer und die Frau ist entzückend in ihrem Bemühen uns alle schmackhaft zu machen. Alles ist anders als in Französisch Polynesien, einfacher, ärmer, Müll am Straßenrand, aber die Menschen sind offen und liebenswert und sie sind stolz auf ihr Land. Gerade läuft eine Säuberungsaktion an denen sich auch Segler beteiligen. Einige Straßen sind tatsächlich nach dem Wochenende gefegt. Wir fühlen uns wohl, genießen die Zeit und warten auf besseres Wetter. Mittwoch lässt endlich der strenge Wind, mit Böen bis 30 Knoten nach und auch die Sonne kommt etwas öfter durch. In der Bucht von Neiafu spürt man vom Wind kaum etwas, nur selten verirrt sich Wind über den Berg und bringt ein bisschen Bewegung ins Schiff, hier liegt man sicher, aber das Wasser lädt nicht besonders zum Schwimmen ein. Gleich Mittwoch früh gehen wir Anker auf und segeln mit Rückenwind die 6 nm ums Eck bis Fangakima, oder Port Maurelle auf Kapa Island. Port stimmt nicht, es ist eine Bucht mit schönem Sandstrand, einige Yachten hängen an Bojen andere ankern nebenbei, die Küste ist wie überall felsig und der Baumbewuchs hängt bis ins Wasser. An der Spitze der Insel ist die berühmte Swallows Höhle, welche wir auch besuchen. In dieser Bucht stand seinerzeit Kapitän Francisco Maurelle, als er 1781 Tonga besuchte, deshalb der Name. Die drei Tage, die wir hier bleiben sind sonnig und die felsige Küste der Bucht lädt zum Schnorcheln ein. Hier gibt es unzählige, teilweise sehr große Seesterne, in blau und rosa und auch Seeigel, auch die mit den dicken roten Stacheln. An den Steilwänden der kleinen Inseln Oto und Ava, in der Nähe, wieder ganz andere Korallen und auch immer wieder neue Fische. Und ein großer Thuna schwimmt frech an mir vorbei, solche sieht man beim Schnorcheln selten. Die Riffkante Scheint ins unendliche blau zu fallen, die Sicht ist gut, manchmal kann man den Boden erahnen, laut Karte mindestens fünfzig Meter tief. Die Höhle ist sensationell und bei einer weiteren kleineren sehen wir eine Kolonie Flughunde, sie fliegen um uns herum und hängen wie Früchte an den Bäumen. Man muss sich erst ein bisschen ein schauen das man sie in den Ästen hängen sieht. Hier ist Natur pur, wunderschön und gut geschützt, was will Seglerherz mehr.
Noch vor dem Wochenende verlegen wir uns wieder vor Neiafu, diesmal an eine Boje die 20 TOP pro Tag kostet. Wir schleppen die Badetücher zum Waschsalon, füllen Wasser am Pier in Kanister, holen Benzin für den Außenborder und erledigen die letzten Einkäufe. Montags früh geht's zum Abmelden und ich begleite einen befreundeten Segler noch ins Spital. Das Spital ist sehr einfach und sieht von außen ein wenig heruntergekommen aus. Drinnen alles soweit sauber (ausgenommen der Plastikstühle), wir werden freundlich und kompetent in die richtige Warteschlange verwiesen. Eine Krankenschwester nimmt die Daten und die Beschwerden auf und misst den Blutdruck. Es dauert nicht allzu lange bis wir zum Doktor aufgerufen werden und ich kann ganz gut erklären was wir gerne an Diagnostik hätten. Der Doktor sieht das genauso, bedauert aber, dass der Arzt der den Ultraschall bedienen kann, derzeit gerade auf einem Kongress ist und erst nächste Woche wieder hier sein wird. Die Laboruntersuchung kostet dann 10 TOP, wobei sich die Sekretärin entschuldigt weil Einheimische nur 5 TOP bezahlen müssen. Sie bedankt sich für unser Verständnis, da können wir uns in Österreich ein Beispiel nehmen.
Wir segeln mittags noch gegen Süden um einen guten Startpunkt für den Tagesschlag nach Ha'apai zu haben, von hier aus sind es knappe 60 nm. Der angepeilte Ankerplatz vor Euakafa ist uns dann doch zu offen und windig und Riffe zum Schnorcheln gibt es hier überall, da müssen wir nicht hier ausharren. Außerdem streikt unser Außenbordmotor nun schon wieder und bevor der nicht zerlegt und gereinigt ist, angeblich ist der Vergaser verstopft (Diagnostik aller in der Früh anwesenden und paddelnden Männer), können wir nirgends hin fahren. Wir tuckern noch die 1,5 nm bis Taunga Island und stellen uns vor das Riff und die Insel Ngau. Der angegebene Ankerplatz vor dem kleinen Dorf gefällt uns nämlich auch nicht, entweder man steht noch im tiefen Wasser umzingelt von Riffen oder man müsste durch eine mit Stecken markierte schmale Einfahrt in eine Art Lagune fahren. Die hat wunderschönes hellgrünes Wasser, stutzig macht uns dann, dass wir ein paar Einheimische brusttief im Wasser stehen sehen. Da drehen wir schnell ab, machen Meter ins tiefe Wasser und lassen uns lieber den Wind übers Riff auf die Nase blasen. Der nächste Tag begrüßt uns mit Regen, nie viel, aber es ist bewölkt und nieselt immer wieder. Dazwischen Sonne und ein angenehmer Wind. Ein idealer Tag um nötige Arbeiten voran zu treiben. Robert ist mäßig motiviert, er weiß dass der Dingimotor heute zerlegt gehört, da kann er sich nicht vorbei schummeln. Er braucht dazu aber Muße und ein ruhiges Händchen, denn wenn ihm ein winziges Schräubchen ins Wasser fällt können wir den Motor für länger vergessen. Also wird Vormittag noch gerastet und Kräfte gesammelt. Ich starte gleich in der Früh und putz die Räder, unsere Reifen sehen jetzt aus wie neu, nicht die kleinste organische Faser steckt mehr im Profil. Und weil ich so in Schwung bin kommen auch noch die Schuhe dran. Biosecurity ist das Zauberwort und schon putzt man die feinen Ritzen im Sohlenprofil mit der alten Zahnbürste und fettet die Schuhe ein, dass sie nur so glänzen. Ein Mastrutscher vom Groß muss neu angenäht werden, der Griller geputzt und verstaut und und und. Eine grobe Reinigung des Unterwasserschiffes geht sich auch noch aus, vielleicht hilft uns das schon auf den sechzig Meilen die wir bis Pangai, dem Hauptort der Ha'apai Gruppe vor uns haben. Morgen starten wir um vier, der Motor ist gerichtet, das Dingi am Deck festgeschnallt, der Tag geht erfolgreich zu Ende und der Vollmond schiebt sich hinter der Insel hervor.
Jeder Platz ist bisher wunderschön und es gäbe noch 30 weitere Ankerplätze in der Vava'u Gruppe. Für Tonga sollte man sich länger Zeit nehmen oder noch mal vorbei kommen. Für heuer drängt die Zeit, die ersten sind schon am Weg nach Neuseeland und spätestens in vier Wochen sollten wir auch auf den Landfall in Neuseeland anstoßen können.
Noch haben wir ca. zwei Wochen, doch langsam merken wir, wie Nervosität sich einschleicht. Wir schlafen schlecht, ständig fällt einem was ein, was noch erledigt gehört, abgesehen vom Respekt vor der Strecke und den oft auftretenden Starkwinden haben wir Angst trotz aller Bemühungen von der Biosecurity aufgeklopft zu werden. Die Liste, was alles nicht eingeführt werden darf ist lang und die, was alles angegeben werden muss noch länger. In jeder Kategorie sind Beispiele angeführt und immer wieder tauchen Dinge auf, die wir tatsächlich an Bord haben und die, wenn wir sie nicht angeben und sie dann gefunden werden als schweres Vergehen zur Last gelegt werden. Das kostet dann einige hundert Euro und die wollen wir für die kleinen Lavendelsäckchen zum Beispiel in den Wäschekästen doch nicht zahlen.
Wer hat sonst das Glück sein Haus mit allem Hab und Gut akribische auseinander zu nehmen, so eine Inventur bringt allerlei zum Vorschein und wir misten ordentlich aus.
Mittwoch starten wir zeitig, um vier Uhr, es ist mondhell und wir schieben uns langsam an den kleinen Inseln und unsichtbaren Riffen vorbei Richtung Süden. Zuerst ist wenig Wind und Regen, dann endlich der angesagte Wind um 15 Knoten und so geht es zügig voran und wir schaffen die 60 Meilen bis Pangai, dem Hauptort der Ha'apai Gruppe bis 17 Uhr. Gleich in der Früh holen wir einen 15kg schweren Wahoo herein, Arbeit für den halben Tag und Essen für die nächsten Wochen. Ein richtig schönes Tier und die dazugehörende Sauerei am Schiff.
Am AIS Bildschirm wimmelt es heute nur so von Signalen, sechs weitere Schiffe haben den gleichen Weg, wie die Zugvögel bewegen sich die Segler Richtung Neuseeland, dort steht man in der Zyklonsaison sicher und man kann alles reparieren, die Listen sind lang.
Wir denken über die Anschaffung neuer Segel nach, die Lazybags gehören erneuert und auch sonst zeigen alle Stoffteile Altersschwäche. Zusammen ist das recht teuer, mal sehn ob wir alles auf einmal erneuern oder mit ein paar Dauerreparaturen noch weiter leben werden.
Gleich am nächsten Tag in der Früh geht's in den Ort Pangai, in der Touristeninformation bekommen wir eine A4 Kopie einer Inselkarte, 18 km Straße und drei längs, drei quer im Ort. Neben der Polizeistation warnt ein Plakat potentielle Raser, wahrscheinlich lassen es die wenigen, die ein Auto haben schon ganz gern mal laufen. Beim Custom fehlt uns ein Formular, welches er netterweise dann mit uns ausfüllt, kurzer Small Talk und wir sind wieder mit den richtigen Papieren unterwegs. Vorbei an einigen Magazinen und dem Markt nahe dem Hafen laufen wir noch ein wenig die Straße Richtung Norden. Kurz nach dem Ortsschild befindet sich der Friedhof, Sandhügel mit Plastikblumen dicht an dicht. Eigens ausgewiesen der Europäische Friedhof, eine Ansammlung von einem duzend Grabsteinen. Die Inschriften verraten, dass es deutsche und englische Auswanderer waren, nur selten ist jemand 50 Jahre geworden, viele starben so um das 30. Lebensjahr.
Die übliche Riege an Kapitänen kam auch hier vorbei, Tasman 1643, Cook 1774 und 1777 und Captain Bligh von der Bounty wurde bei der Meuterei (1789) hier von Fletscher Christian mit 18 Mann ausgesetzt. Die Meuterer suchten Richtung Osten ein sicheres Versteck und fanden Pitcairn, Bligh schlug sich nach Timor durch.
Wir sind hier im Hauptort auf einer der größeren Inseln, hier ist auch der Inlandsflughafen, kleine Propellermaschinen können landen. Von den 51 Koralleninseln und Atollen und den zwei Vulkanen (Tofua und Kao) sind nur 17 bewohnt, 6-8000 Menschen leben in 30 Orten, einige ohne Strom. Hier, nahe dem Hauptort gibt es Internet, manchmal sogar recht flott, zeitweise geht gar nichts, aber so gut und preiswert hatten wir es im Pazifik noch nirgends.
Der angesagte Wind baut hier Welle auf, also verlegen sich alle Schiffe nach Uvoleva, die nächste Insel im Süden. Hier liegt man vor einem unendlich langen Sandstrand mit feinstem Sand, gesäumt von Palmen und gar nicht so wenig Bäumen und Buschwerk. Tongas Natur scheint in vielen Bereichen noch natürlichen Lebensraum für viele Tiere zu bieten, Flughunde zählen zu den Glücklichen. Überall hängen sie in den Bäumen und es ist schon faszinierend wenn Batman Kreise über deinem Kopf dreht. Übrigens, die sind Vegetarier und ernähren sich von Früchten.
Wir liegen einige Tage hier und genießen die Ruhe, die Riffe und die Insel. Robert bringt endlich wieder mal eine Languste von seinen Jagdausflügen mit und in drei Stunden haben wir fast die Insel umrundet. Gegen Mittag wird der Sandstrand dann schon recht heiß, da ist der Pfad quer über die Insel im Schatten der Bäume der richtige Heimweg.
Der erste windstille Tag ist für die schon wieder anstehende Segelreparatur reserviert. Genua runter, Riss kleben und drüber nähen, man bekommt Routine wenn man das öfter machen muss. Diesmal ist leider eine Schraube der Genuaschienen locker, also rauf und sie wieder rein drehen. Ich entscheide mich zuerst über die Stufen bis zur ersten Saling in den Mast zu steigen und mich von dort zum Vorstag zu schwingen. Dieses ist dann einfach zu umklammern, die Schraube fest ziehen, zurück zum Mast schwingen und wieder runter steigen. Jetzt kann die Genua wieder gesetzt und aufgerollt werden, so was unter der Fahrt, bei Wellengang und Wind draußen wäre besch....
Noch einmal geht's zurück nach Pangai, Diesel auffüllen, abmelden und die letzten TOP ausgeben, wer weiß wann wir die Währung wieder brauchen werden. Ab dann sind wir frei für den Start und müssen nirgends mehr auf Wochentage und Amtszeiten warten.
Den Rest der Zeit werden wir noch weitere der schönen Plätze Richtung Süden nehmen und die Tage so gut geht genießen, Tonga hat unser Herz gewonnen, vielleicht kommen wir wieder.