Port Phaeton, Tahiti

So abhängig von Wetterberichten haben wir uns schon lange nicht mehr gefühlt, gut, dass die Vorhersagen ziemlich genau zutreffen. Freitag hat der angesagte Südostwind um einige Stunden früher begonnen und etwas stärker ist er dann auch ausgefallen, aber alles in allem perfekt für die Überfahrt nach Tahiti. Die sechs Meilen zum Nordpass von Fakarava sind wir mit der Genua schon gute sechs Knoten gesegelt, durch den Pass ging es, weil wir etwas zu früh dran waren, dann noch mit drei Knoten Strom rasch hinaus. Die Wellen und Verwirbelungen draußen waren beachtlich, wir könnten aber gleich Backbord abbiegen und raus aus der unruhigen Fläche. Groß im zweiten Reff, Genua Zweidrittel und wir rauschen mit über sieben Knoten in die Nacht hinein. Die Welle schiebt ganz ordentlich von schräg vorne, hin und wieder spritzt es ins Cockpit, aber wir tanzen gut auf unserem „Am Wind Kurs“ dahin. Nur kochen fällt bei dieser Schiffsbewegung flach, wir verdrücken jeweils ein Stück trockenes Brot, mehr würde vielleicht auch nicht unten bleiben. Die Nacht ist dunkel, Wolken verdecken die Sterne und der Mond geht erst um drei Uhr auf. Vielleicht ist es eh besser wenn man die Wasserwände, die auf uns zu kommen nicht so sieht. Nur manchmal sieht man angestrahlt von unserer Navigationsbeleuchtung weiße Kämme und man hört es rauschen, und zeitweise Schläge der Wellen an den Rumpf. Sehr unangenehm ist es, wenn das Schiff von einem Wellenberg in ein Tal hineinfällt, das ergib einen Knall und das gesamte Schiff zittert, gut, wenn der Mast das aushält. Statt den angesagten 18 Knoten hat es immer über 20 und mit den Squalls, die sich fast nahtlos aneinander reihen sind es dann 30 Knoten. Auch wenn es kaum Regen hat sitze ich mit meiner Schwerwetterjacke draußen im Windschatten hinter der Sprayhood und wenn ich die Nase in den Wind halte und den Rundumblick mache duscht mich fast mit Sicherheit eine Welle. Wir geben noch in der Nacht das dritte Reff rein und reduzieren die Genua auf ein kleines Dreieck und trotzdem surfen wir mit fast sieben Knoten dahin. So ein Manöver wollen wir uns in der Nacht sparen, Robert ist mit Stirnlampe vorne am Mast und ich hantiere hinten bei den Klemmen mit dem Fall und all den anderen Leinen. Das ganze bei massiven Schiffsbewegungen und vorne am Mast auch ziemlich nass. Wir sind immer mit einem Gurt am Schiff gesichert, falls man über Bord gerissen wird hängt man außen am Schiff dran und hat die Chance wieder zurück an Bord zu kommen. Versuchen wollen wir es nicht, denn womöglich ertrinkt man da seitlich dran. Nach getaner Arbeit segelt es sich gleich viel ruhiger und auch nicht viel langsamer. Irgendwie ist man froh wenn es wieder hell wird, am Boden im Salon konnte man nur rasten, an Schlaf war nicht zu denken, den holen wir dann unter Tags nach, denn netterweise bläst es bei sonnigem Wetter konstant mit 25 Knoten. So lässt es sich leben und mit über 6,5 Knoten Schnitt erreichen wir Tahiti nach 36 Stunden und einer weiteren Nacht. Angestrahlt von der untergehenden Sonne präsentiert sich noch Meetia, ein einsam stehender Vulkanberg, den wir Backbord liegen lassen. In den Morgenstunden erreichen wir unseren Wegpunkt etwas südlich von Tahiti, jetzt können wir mit Rückenwind die letzten 10 Meilen an der Westküste bis zum Einschnitt zwischen Tahiti Nui und Tahiti Iti segeln. Immer genug Abstand zum Riff, wir bleiben im 1000 Meter Tiefe Bereich, denn heuer ist schon eine dänische Yacht hier aufs Riff gelaufen. Wie bei fast allen Riffen ist die Zone zwischen sehr tief und 30-50 Meter, steigend zur Riffkante gerade mal ein paar hundert Meter breit. Die Brandungswellen und Strömungen drücken dich dann ins Flache, wenn man zu nahe kommt.

Der Wind legt nochmals zu und wir machen auch ohne Segel noch fünf Knoten Fahrt. Neben uns taucht regelmäßig ein kleines Fischerboot auf den Wellenkämmen auf, dann verschwindet es wieder im nächsten Tal. Von uns wird auch nur noch der Mast zu sehen sein, die Wellen sind jetzt schon gute drei Meter hoch. Wir starten den Motor und stellen fest, dass der Autopilot nicht mehr funktioniert, eine Hydraulikleitung ist geplatzt, leicht am orangen Öl unter den Bodenbrettern zu erkennen, egal, ich steuere von Hand. Eine Meile vor dem Pass sieht man nur hohe Brandungswellen, die Einfahrt ist schwer zu erkennen, kann man bei dem Wetter da eh rein fahren? Erst kurz davor beruhigt sich das Meer und hinter dem Riff ist weder Wind noch Welle, unglaublich. Zweimal ums Eck erreichen wir Port Phaeton, die am Besten geschützte Bucht von Tahiti, hier wollen wir den kommenden Maramu, Wind bis 40 Knoten ist angesagt, abwettern. Die Bucht ist groß umgeben von üppig grün bewachsenen Bergen und schönen Häusern am Wasser. Erinnert an einen grünen See oder an Le Marin auf Martinique, auch hier stehen etwa 40 Schiffe, viele abgestellt, manche verwahrlost für immer. Das ganze bei bewölktem Himmel und Regen, etwa so wie im Salzkammergut, man kann halt nicht alles haben. Der Ankerplatz bei der Marina Taina, den wir letztes Jahr genossen haben, ist heuer übervoll und dort baut sich bei so viel Wind auch eher Welle auf. Möchten nicht die Nächte mit Ankerwache oder um ankern verbringen, da ist uns Regen schon lieber. Wir stehen gleich neben der SY Sagitta, Österreicher, die schon lange hier in Polynesien segeln, wir plaudern gleich mal nett und werden uns sicher die nächsten Tage mal treffen. Auch Wolfgang von der SY Imagine kommt vorbei, auch sie sind aus Niederösterreich und geben uns gleich wichtige Tipps, sie sind schon länger hier und haben schöne Wanderungen unternommen.

Sonntag rasten wir uns aus, räumen etwas zusammen und gewöhnen uns an den Straßenlärm den man hier kontinuierlich hört, die Küstenstraße ist ja in Wurfweite.  Montag ist unser erster Weg zum Carfour, der hier gleich beim großen Kreisverkehr ist. Wir sind wieder überwältigt und von dem Überangebot fast erschlagen, seit Österreich haben wir sowas nicht mehr gesehen, das ist jetzt drei Monate her. Die Liste all der Dinge die uns inzwischen ausgegangen sind, füllt eine Seite und ist schnell in den Wagen gesammelt, Frisches hat Priorität, Käse, Butter und Gemüse. Billig oder teuer, alles relativ, für hundert Euro haben wir alles bekommen, hätte auf den Tuamotus mindestens das Dreifache gekostet, in Österreich wahrscheinlich die Hälfte.

Mittag sind wir zurück an Bord und Robert macht sich an die Arbeit und baut die kaputte Hydraulikleitung aus. Baustelle, alle Schapps offen, Werkzeug verteilt sich gleichmäßig am Boden und er hängt, wiedermal kopfüber zwischen den Bänken und fummelt die alte Leitung raus. Ich häng mich zeitweise dazu und beseitige das ausgelaufene Öl und putze die Späne weg, die bei der Erweiterung des Durchlasses der Leitungen anfallen. Denn wenn wir schon wieder mal was erneuern soll es auch verbessert werden und Leitungen, die sich mit Mühe durch ein Loch quetschen scheuern nun mal leicht auf, das muss nicht sein. So vergeht der Nachmittag, wir schauen noch kurz in die Werft, damit wir den Dingiparkplatz sondieren an dem wir dann unsere Räder an Land bringen können, checken das Internet beim Tauchshop und begrüßen Ivan, den Marinero. Dingi anlegen ist kein Problem, aber bitte absperren und Räder nicht an Land lassen, hier wird immer wieder mal gestohlen, zuletzt drei Außenborder unter Tags. Wie das sein kann wundert uns, denn man muss mit den, nicht zu leichten Dingern an allen Schiffen, den Werkstätten und dem Marinabüro vorbei, hat da keiner Augen?

Wir akzeptieren, dass wir hier wieder in der Zivilisation sind, es hier scheinbar auch Arbeitslosigkeit und Armut gibt und daher die Kleinkriminalität zunimmt. Ist bei uns nicht anders. Wir sperren hier den Motor wieder ans Dingi und alles mit einem dicken Stahlseil und Vorhängeschloss ab, der Rest ist dann Schicksal. Unser erster Radausflug führt uns Kreuz und quer durch den Ort Taravao, nicht besonders groß und auch nicht besonders hübsch, wobei man das bei Regen nicht wirklich beurteilen kann, denn da sieht alles ein wenig trostlos aus. Wir bekommen problemlos unsere Hydraulikleitung, 75 Dollar, leider nicht „staneless steal“, also wird die rasch vor sich hin rosten und bei Zeiten wieder erneuert werden müssen. Aber hier wäre alles andere Luxus und sehr aufwendig zu besorgen, wir werden sie lackieren und hoffen, dass sie zumindest bis Neuseeland haltet.

Den verregneten Nachmittag verbringen wir unter Deck, es ist gespenstisch still, kein Wind, kein Autolärm, draußen hat es vier Meter Welle und 35 Knoten Wind, wir kuscheln uns in die Decken und lesen.

Mittwoch und Donnerstag arbeiten wir uns durchs Schiff. Robert repariert die ausgefallenen 220 Volt Wechselrichter und ich putze alle Kojen und staue um, sodass die Gästekoje frei wird. Die Räder sind derzeit ja an Deck oder später werden wir sie in den Salon stellen, dann können wir sie rasch auch mal benutzen. Nebenbei gebe ich die Wäsche an Marc, der passt hier auf abgestellte Schiffe auf und organisiert alles Mögliche, auch das Wäscheservice, seine Tochter wäscht. Morgen oder übermorgen bekomme ich sie wieder zurück, hängt davon ab wie rasch sie trocknet, was bei dem ständigen Regen echt dauern kann. Schlussendlich bekommen wir sie Sonntag, weil wir Montag weiter ziehen, feucht zurück. Es regnet nie viel, zeitweise ist es sogar sonnig und es ist durchgehend windstill, draußen bläst es immer noch mit über 30 Knoten, wir sind überglücklich hier zu sein.

Nachmittags laden wir die österreichischen Nachbarn zu Café und Kuchen und schon ist eine Woche fast um. Samstag radeln wir, trotz leichtem Regen nach Tautora, dem südöstlichsten Ort der Insel. Am Weg gibt es einige Wasserfälle zu bestaunen und die Bergkoulisse, die tief eingeschnittenen Täler und die Mischung aus Wolken, Sonne und Nebel ist ein wunderbares Schauspiel. Sonntag dann der empfohlene Ausflug ins Moorenotal, zuerst auf einer Art Forststraße mit den Rädern, zweimal durch eine Furt und zuletzt auf einem Pfad, x-mal durchs Flussbett und über umgefallene Bäume bis zum Wasserbecken mit kleinem Wasserfall. Bei der ersten Überquerung versucht man noch trockenen Fußes drüber zu kommen, nachdem es aber nicht geht, akzeptiert man nasse und gatschige Schuhe. Der kleine Wasserfall ist eine Rutsche ins tiefe Becken, in welches man von den Felsen auch hinein springen kann. Wir probieren alles natürlich mal aus und das kühle Süßwasser ist ein echter Genuss. Am Nachmittag sitzen wir noch bei Wolfgang und Veronika von der SY Imagine, bedanken uns für die guten Tipps und verabschieden uns, denn Montag wollen wir zeitig los.

Die Strecke bis zur Taina ist so durchsetzt wie erwartet, zuerst kein Wind, dann die Hälfte der Strecke guter Rückenwind und zuletzt leichter Gegenwind. Schon von Weiten, sieht man den Mastenwald und von der Nähe möchte man es gar nicht glauben. Wo letztes Jahr zwei Reihen hinter einander geankert haben, sind es jetzt drei, die Bucht, in der wir gerne gestanden sind ist mit Ankerverbot gesperrt und via a via vom Intercontinental Hotel, wo letztes Jahr vereinzelt wer stand, sind heuer ein halbes Duzend. Wir stellen uns dazu in die Reihe, sollte genug Platz in alle Richtungen haben und ab Morgen ist windstill angesagt. Der Straßenlärm, an den wir uns eben gewöhnt haben war nur ein ländlicher Vorgeschmack, hier wird richtig Lärm gemacht. Vierspurige Straße, Speedboats, die ihr Geschwindigkeitspotential ausschöpfen und dann noch die Einflugschneise vom Flughafen. Besonders abends ziehen sie im „Zehn Minuten Takt“, mit dem dazugehörigen Lärm der Schubumkehr an unserem Mast vorbei auf die Flugbahn. Dann hört man sie bremsen und bevor der eine Lärm verebbt, baut sich der nächste auf. Gut, dass wir ohnehin nicht viel an Bord sein werden, Besorgungen, Besuche von Freunden und die eine oder andere Veranstaltung vom Heiva Festival, welches gerade im Gange ist.

Die Woche vergeht, wie erwartet rasch. Wir radeln jeden Tag nach Papeete, besuchen Marc und Christine auf der SY Savage, weil Robert sich dort ein elektrisches Problem ansieht. Während er und Marc sich die Kabel entlang messen, gehe ich mit Christine, Tina und Erwin auf den Früchtelauf in den Stadtpark. Wie letztes Jahr eine gute Stimmung und wir stehen ganz nah an der Start oder Ziellinie und bewundern die Sportler. Gelaufen wird jeweils zwei Runden, Frauen  mit 20 kg, Männer mit 30, bzw. eine kleine Gruppe mit 50kg. Die Früchte sind an einem dicken Holz oder Bambusstab vorne und hinten angebunden, teilweise mit Blumen verziert. Die Last wird auf die Schulter genommen und während des Laufes von einer Seite auf die andere gewuchtet, kennt man ja vom Tragen der Einkaufstaschen. Erschöpft aber immer noch lächelnd erreichen sie das Ziel, gekonnt werden ihnen noch laufend die Früchte abgenommen, sehr professionell. Vorher und nachher präsentieren sich die Sportler gerne und lassen sich fotografieren, nicht nur von Touristen, hier sind viele Einheimische Fans.

Zum Abschluss gibt es noch eine Tanzvorführung von den Marquesas. Intensive Trommelmusik, Kriegsgeschrei und kämpferische Gesten, sehr eindrucksvoll die starken, fast am ganzen Körper tättoovierten Männer. Zurück bei den Schiffen dann echt schlechte Stimmung. Der Fehler ist gefunden und repariert, aber beim Zusammenschließen verabschiedet sich die Sicherung und die ist im übervollen Elektrokasten nicht zu finden. Jetzt leuchten ein paar Lichter weniger als vorher, Robert ist frustriert. Zum Glück schaut Erwin auch noch in den Kasten hinein und motiviert Robert einige Sicherungen nochmals zu prüfen und tatsächlich findet sich die kaputte. Austauschen, fertig und schon erhellt sich Koje und Stimmung. Der Abend klingt bei gutem asiatischem Essen aus. Am nächsten Tag besteigt Robert noch den 20 Meter hohen Mast, also er wird mit der Elektrowinsch raufgezogen, ist aber trotzdem sehr hoch, um den Fehler beim Ankerlicht zu finden. Das Kabel ist ab und im Mast verschwunden, damit lässt es sich so einfach nicht richten und Robert ist recht schnell wieder herunten. Mastklettern gehört, wegen Roberts Höhenangst nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, deshalb gibt es dann auch keine Fotos von oben.

In der Stadtmarina treffen wir auch Ferry und Brigitte von der SY Alrisha wieder. Zuletzt haben wir uns in Panama gesehen, sie sind heuer in den Pazifik gesegelt und bleiben noch eine Saison hier. Wir unterhalten uns gut und verabschieden uns dann wieder, unsere Wege kreuzen sich hier nur kurz.

Am Wochenende besuchen wir das Sportfest des Heivafestivals, sonntags schon mit Alex und Stefi, die gerade angekommen sind. Zwei Tage treten Frauen, Männer und Kinder in fünf Disziplinen an. Es ist ein internationales Fest, Teams aus Samoa, Cook, Fiji, Hawai usw. sind, natürlich mit Fanclub gekommen. Europäer treten nicht an, wir würden auf die Kokospalmen wahrscheinlich gar nicht rauf kommen.

Für Stefi und Alex ein wunderbarer Start in den polynesischen Urlaub, traditionelle Sportwettberwerbe, Speerwerfen auf eine Kokosnuss, Ringen, Steine heben, Kokospalme klettern und Kokos hacken. Und mittags Tanzvorführungen, diesmal wieder die Gruppe aus den Marquesas und viele Tänzerinnen aus Tahiti unterschiedlichen Alters. Die Kleinsten gerade mal Volkschulkinder, aber schon sehr professionell im Hüftschwung. Und alles sehr bunt, viel tättooviert und vor allem die Männer in den traditionell zu Hosen gebundenen Tüchern.

 

Abends schlägt die Müdigkeit noch rasch zu, dafür sind sie in der Nacht einige Stunden wach, diese Zeitumstellung. Diesmal stehen wir fürs schnorcheln fast perfekt, rundherum Sand, keine drei Meter tief und Boomies in Wurfweite und nebenbei packen wir schon mal zusammen, Aufbruch nach Moorea.