Taravai

Samstag Früh noch frisches Brot holen und Internet checken, dann geht's ab ins Wochenende. Wir verlegen uns nach Taravai. Die Insel fehlt in den Beschreibungen und Skizzen im South Pazific Ancourages, dem Revierführer der Südsee, völlig, so als ob sie erst in den letzten Jahren entstanden wäre. Ist sie aber nicht, hier steht eine recht große Kirche von dazumal, fasst sicher ein- bis zweihundert Menschen, die früher hier auch gelebt haben. Jetzt ist die Insel ein fast menschenleeres Paradies, derzeit leben 5 Personen hier. Zwei Männer und eine Familie, Herve, Valerie und Ariki, ihr sechs jähriger Sohn. Und diese Familie ist auch einer der Gründe warum hier sonntags ein Seglertreff ist. Der Anchorage wäre sonst für uns wahrscheinlich Tabu, in der Karte stehen wir hinter einem Riff mit ca 3 Meter tiefer Einfahrt und drinnen durchsetzt mit Korallenflecken, manche so seicht dass man sogar mit dem Dingi hängen bleibt und in der Karte null Tiefenangaben, einfach ein grauer Fleck. Wir haben die Tracks, also die Fahrten anderer Yachten, die meisten von Pitufa, denen kann man mit dem üblichen Blick auf farbliche Veränderungen im Wasser beruhigt nachfahren und sicher einen Ankerplatz erreichen. Trotzdem stoppen wir einmal rasch und werfen den Retourgang ein, Wassertiefe gerade mal 1,5 Meter, da muss unser Schiff fast den Bauch einziehen und wir wollen nicht aufsitzen.

Acht Schiffe verteilen sich auf der Ankerfläche, Platz ist genug und es ist wunderschön hier. Wir nutzen den Samstagnachmittag gleich für einen ersten Besuch an Land und werden von der Familie herzlich begrüßt. Sie zeigen uns ihr Haus, ihren Garten und ein wenig die Umgebung, morgen Mittag wird bei Ihnen gegrillt und am Nachmittag gespielt, relaxt und geplaudert, sie freuen sich über die Seglergäste und Herve hat sogar ein Schwein geschossen von dem er was auf den Grill werfen wird. Die laufen hier im Wald herum wie bei uns die Wildschweine, ausgewilderte ehemalige Hausschweine.

Sonst bringt wieder jeder was mit, da gibt es dann immer mehr wie genug. Sie wollen kein Geld, freuen sich über ein paar Dosen Bier, Cola und Süßes für den Junior darf es auch sein, aber eigentlich sollen wir uns mitbringen. Leben und Freude und interessante Geschichten, die Welt ist größer als so eine kleine Insel. Die Familie hat sich vor einigen Jahren entschieden hier zu leben, sie bauen fast alles an was sie zum Essen brauchen, auf der Insel laufen genug Hühner herum, wilde Ziegen und Schweine, man muss sie nur erwischen und erlegen wenn man sie essen will und fischen geht Herve auch regelmäßig. Ariki wird von seiner Mutter unterrichtet und muss erst mit 14 in die höhere Schule nach Tahiti, ihr älterer Sohn ist deswegen nur mehr in den Ferien hier, sonst lebt er bei seiner Großmutter in Tahiti und geht dort zur Schule. Arbeit gibt es genug aber sie können es sich einteilen, haben keinen Stress und alles fein beisammen. Auf ihrem Grund stehen auch viele Litchibäume, Ernte ist im November, die Früchte werden nach Tahiti verkauft und auch sonst können sie mit dem Überschuss an Ernten ein wenig Geld verdienen. Im hinteren Teil des Gartens steht ein niedergebranntes Haus, gehört Geschwistern von Herve und ist leider durch einen Kurzschluss abgebrannt. Das müssen sie wieder aufbauen und Valerie sagt das so unbekümmert als ob es eine Kleinigkeit wäre, die bald erledigt wird. Die Wasserversorgung ist durch Regenwasser, große Behälter speichern das kostbare Nass und Strom kommt von Solarzellen, die sind ein Leasingmodell mit monatlichen Raten und Wartung und letztendlich gehören sie dann der Familie. Wobei sie dann wahrscheinlich ohnehin wegen Altersschwäche wieder ausgetauscht gehören. Trotzdem ein gutes Modell, denn sonst hätte sich die Familie die Anlage nicht leisten können und weiterhin Diesel verbrannt.

Wir schlendern zurück zum Haus und Valerie meint wir können jetzt die Hauptstraße, welche ein Rasenweg bzw. dem Regen auch Gatsch ist, entlang gehen, Ariki begleitet uns und zeigt uns sein Reich. Beim Nachbarn helfen die Männer noch ein Boot umzudrehen, ein Leck muss gerichtet werden und dann gehen wir in die Kirche. Schon seltsam so ein großes und gut gepflegtes Kirchenhaus ohne dazugehörige Gemeinde. Wenn man dem Weg folgt kommt man zum nächsten Grundstück, privat, Ariki schaut mal ob wer da ist und winkt uns nach. Die Familie ist nur am Wochenende hier, heute wird Geburtstag gefeiert, der Grill ist schon angeworfen. Alle sind freundlich, erzählen wie ein Erdofengrill funktioniert und bitten uns ein paar Grapefruit mitzunehmen und von geraspeltem Kokos zu kosten. Wir besuchen noch den Friedhof welcher im hohen Gras kaum noch zu sehen ist, hier hört die Pflege auf, ist wahrscheinlich auch schon lange niemand mehr hier begraben worden. Unsere Bergtour endet am gatschigen Hang, welcher mit Sandalen kaum zu bezwingen ist, vielleicht nach ein paar Sonnentagen, für heute genug Ausflug. Zurück am Schiff, rein ins Wasser, abkühlen und säubern, so dreckig kommt mir keiner ins Schiff.

Wir haben Hühnerschenkel für den Grill, dazu mache ich Tomatencouscous und Bohnenreis und zur Jause einen Schokoladenkuchen. Der Mittagstisch biegt sich, alles ist köstlich, wie immer gibt es unterschiedliche Salate und das Schweinefleisch ist ganz mager, kennen wir so bei uns nicht. Dazu wird reichlich Bier und von manchen auch Rhum getrunken. Außer einem Einheimischen von einer der Nachbarinseln erwischt keiner zu viel, der ist schon vor dem Essen so betrunken dass er nur noch lallt. Nach dem Essen wird Botscha gespielt, immer zwei oder drei als Team, es macht Spaß und ist zusätzlich erschwert weil das Gelände uneben ist und die Kugeln rasch mal weit davon rollen. Auch das Volleyball Match ist sehr sportlich besetzt, sind diesmal viele Jugendliche da, die Crew der Monika Rose, einer großen Motoryacht, Silvio und Patricia von der Barbarossa, Sandra von der Kyory, Jannis, ein Backbacker auf No Rehearsal, einem großen Kat, die halten uns Ältere schön auf Trab. Gemeinsam genießen wir noch einen wirklich kitschigen Sonnenuntergang und den Aufgang des Vollmondes, alles bei Traumwetter und Windstille, willkommen im Paradies.

Es bleibt für Montag und Dienstag noch so schön, wir nutzen die Zeit um hier an den Riffen zu schnorcheln und nebenbei wird das eine oder andere am Schiff gerichtet, man besucht sich gegenseitig und trifft sich nachmittags an Land. Mittwoch schüttet es dann in Strömen, da wird man in all den Aktivitäten gebremst und raus zum Riff wollen wir bei dem Wetter auch nicht fahren. Schnorcheln ist hier sehr schön, gesunde Korallen, reichlich bunte Fische, auch große Parotfische, Barsche, Haie und Schildkröten, bisher haben wir keine Langusten gesehen, also hat Robert vorerst auch nichts zum Jagen. 

Zum Glück wird der restliche Mittwoch noch ganz schön und wir verabschieden uns am Abend an Land von Valerie und Herve. Ich bringe ihnen zwei bereits gekeimte Christophinen zum einpflanzen und Café, wir bekommen noch reichlich Obst und Brotfrucht. Sie beschenken uns Gäste gerne und sie freuen sich über Kleinigkeiten die man ihnen mitbringt. Geld ist hier nicht wichtig, wir sind berührt.

Donnerstag wollen wir nochmals Richtung Flughafen und zur Perlenfarm von Erik. Er macht englische Führungen und man kann auch Perlen kaufen. Wie ungünstig, der Wind bläst zumindest bis Freitag stark und ungebremst auf den Ankerplatz den wir gerade gewählt haben, Planänderung und gleich zurück nach Rikitea. Später erfahren wir, dass Erik derzeit gerade nicht da ist, wir wären um sonst hingefahren. In Rikitea trifft man wieder auf all die Schiffe die Sonntag beim Barbecue waren und auf einige mehr, wir zählen 20 Schiffe und alle warten auf das Wetterfester mit dem man endlich weiter segeln kann. Wir dachten ja schon an Mittwoch oder Donnerstag, jetzt wird es Sonntag, Montag oder Dienstag, dann ist aber endlich für einige Tage Wind um die 20 Knoten. Damit leider auch Welle bis 3 Meter aber man kann nicht alles haben, die Windrichtung stimmt und Welle hatten wir schon mehr, sollte alles passen. Für uns sehr ungewohnt mit so Vielen Abschied zu feiern und ständig alle für und wider zu besprechen. Man bekommt fast den Eindruck alle fürchten sich vor der nächsten Strecke mehr als vor der großen Überfahrt. Liegt vielleicht daran dass man für eine Woche noch ganz verlässliche Vorhersagen bekommt, bei einem Monat muss man ohnehin mit allem rechnen, erspart sich also all die Berechnungen. Und hier kommt noch dazu, dass man zu einer ganz bestimmten Zeit bei der angepeilten Riffeinfahrt sein sollte, denn sonst heißt es sechs Stunden warten oder wenn die Nacht kommt gleich bis zum nächsten Morgen. Wir haben auch richtig Mum vor den Einfahrten mit starken Strömungen und Untiefen denen man ausweichen muss und die man bei Welle oder Gegenlicht gar nicht sieht. Jedes Jahr gehen einige Schiffe in den Tuamotus verloren, gestrandet, Totalschaden, man möchte gar nicht dran denken und auf jeden Fall diese Liste nicht ergänzen. Wir bekommen von Bernd, der wiederum sie von Ieta kopiert hat, aktuelle Tidentabellen und gute Karten einiger Atolle, die wir vielleicht noch besuchen werden. So rüstet man Kartenmaterial und Informationen immer nach und gibt sie, wenn man jemanden trifft der noch Material braucht auch gerne wieder weiter.

Seit Sonntag ist Aufbruchstimmung, man trifft sich noch da und dort auf einen Drink, tauscht Visitkarten aus, berichtet, was man so vorhat. Ich hab Freitag eine Zehennagel OP auf der Mazu durchgeführt und fahre jetzt mal zum Verbandwechsel vorbei, man möchte sehen ob es eh gut heilt. Peter ist selbst Arzt, daher haben wir ein gutes Gefühl gehabt diesen Eingriff am Esstisch zu machen. Da macht man ganz schön Abstriche was steril betrifft und nachher wird die Haut im Verband auch nicht gerade besser, die Feuchtigkeit und Wärme ist echt ein Problem bei der Wundheilung. Man könnte sagen ein ideales Brutklima für Keime, also macht es euch mal bequem auf unseren Wunden. Für einige Tage Antibiotika und professionelle Wundpflege lassen die Wunde rasch heilen und, wie ich später noch sehen kann sieht der Zeh und der Nagel jetzt wieder ganz normal aus.

Wir machen uns ein weiteres Mal zu einer Runde zum Früchtesammeln auf, diesmal nehmen wir die kürzere Runde, es geht aber immer über den Berg und damit wird es dann wieder recht anstrengend. Wir haben jetzt reichlich Grapefruit, Limonen, Chilli, Kürbis und zum ersten Mal auch Kürbisblüten. Von denen findet man mehr, muss sie aber frisch verarbeiten.

Neben all den Aktivitäten machen wir unser Schiff klar, Unterwasserschiff und Kette putzen,  Notpacket packen, Rettungsinsel bereitlegen,...Robert ist wie immer angespannt und schläft schlecht, da sollten wir nicht zu lange hier warten, denn wenn man dann unterwegs ist stellt man sich um und alles läuft und normalerweise fällt die Spannung dann ein wenig. Abschied von Gambier, jetzt beginnt hier der Winter mit Südstürmen und Temperaturen um die 16 Grad, da tragen sogar die Einheimischen Pullover und lange Hosen. Und die Segler ziehen, wie die Zugvögel weiter in wärmere Gefilde, näher beim Äquator.

 

Die Gambier sind sicher nicht mehr der Geheimtipp den nur ein paar Yachten im Jahr besuchen, die Schar wird immer größer denn hier kann man es auch länger aushalten, es ist ein sicherer Platz für die Taifunsaison, wenn man am Schiff bleibt. Ab Dezember wird sich der Ankerplatz vor Rikitea wieder füllen und in Taravai gefeiert werden. Für uns vielleicht eine Option für später, diesen Winter fliegen wir ja nach Österreich und stellen unser Schiff auf einem Yard ab.