Marquesas
Ein gutes Gefühl wenn die ersehnte Insel immer deutlichere Konturen annimmt und man schlussendlich an der Küste entlang zur gewählten Ankerbucht fährt. Nach all dem Kreuzen war Ua Pou die Insel die wir am besten erreichen konnten, hier wählen wir die Bucht von Hakahetau an der Westküste, bei Ostwind sollte das eine gute Wahl sein, noch dazu ist für die nächsten Tage Flaute angesagt. Der Anker fällt auf 12 Meter in einer kleinen Ausbuchtung der steilen Felsküste nördlich vom Ort. Seit langem stehen wir wieder einmal in einer Bucht ohne Riff, Felsen, Berge, üppiges Grün und einzelne Felsnadeln prägen hier das Bild. Dunkle Wolken ziehen über die Insel und geben immer wieder den Blick auf die Berge frei, über Tag setzt sich die Sonne durch und in der Nacht leuchtet uns der Vollmond. Vom Ort sieht man nicht viel, der Kirchturm ragt zwischen den Bäumen hervor und da und dort ein Dach oder ein Haus am Hang und eine große betonierte Mole an der ein paar Fischerboote befestigt sind und alle paar Wochen das Versorgungsschiff anlegt. Hafen gibt es keinen und der Strand in steil und aus groben Steinen, die Welle bricht sich fast ungehindert, ungeeignet um mit dem Dingi dort zu landen. Hinter der Mole gibt es eine Slipstelle und daneben eine Leiter an der man auch gut hochklettern kann, der geeignete Platz zum Anlanden. Über die drei Tage, die wir hier sind, bläst ein beständiger Ost bis Nordostwind und damit baut sich auch beträchtlicher Schwell auf, schlussendlich so unangenehm, dass wir gerne wieder aufbrechen. Naja, so richtig verlassen kann man sich auf die Wettervorhersagen nicht und den Nordost hätten wir auf der Strecke gebraucht, nicht jetzt.
Der Ort ist klein und verschlafen, unsere erste kleine Wanderung führt uns in das fruchtbare Tal zu Manfred, ein Deutscher der hier lebt und eine kleine Farm betreibt. Er macht wirklich gute Schokolade und ist dafür auch schon recht bekannt. Er ist gerade nicht zu Hause, wir treffen ihn später im Ort und wechseln noch ein paar Worte. Mit seiner Frau konnten wir uns mangels Sprachkenntnissen nicht gut unterhalten, für eine Schokokostprobe und den Kauf von zwei Tafeln hat es aber gereicht. Am Heimweg sammeln wir wieder Obst ein, Grapefruits, Limetten, Mangos und Orangen liegen reichlich am Boden und sie sind gut und saftig. Überall auf der Insel stehen Pferde herum, teilweise angebunden und als Lasttiere verwendet, aber auch frei herum laufende sieht man viele.
Zurück im Ort suchen wir noch das kleine Magazin auf, ein dunkler Raum, eine junge Frau mit Kind am Arm sperrt extra für uns auf. Die meisten Regale sind leer, wir kaufen die letzten zwei Kilo Mehl und die letzten 12 Eier. Am Steg erstehen wir vom einzigen Fischer, der eben zurückgekommen ist, einen großen Oktopus, reicht für drei Mahlzeiten. Robert füllt noch einen Kanister Wasser und ich nutze die Gelegenheit bei den Polizisten, die gerade mit ihrem Auto hier sind, uns anzumelden. Sehr freundlich, er wird unsere Ankunft notieren, wir müssen nicht extra aufs Revier im Hauptort Haketau kommen. Die Insel gefällt uns, nur der Schwell und die ewige Schaukelei ist nervig.
Unser zweiter Ausflug geht über die Nordküste nach Haketau, 17km Straße, die aber nur nahe der Orte asphaltiert ist, sonst eine Erd- und Schotterpiste, die mit den Fahrrädern schlecht befahrbar wäre. Endlos ziehen sich Serpentinen die Hänge entlang und auf und ab, die Landschaft ist karg, teilweise nackte Lavawüste. Der Kontrast könnte nicht größer sein, nur in den Bergen und den bewohnten Tälern ist es fruchtbar und grün, sonst wächst nichts bzw. reichlich Gestrüpp. Öffentlichen Verkehr gibt es nicht und Auto stoppen hat hier auch eine besondere Note. Man wartet nicht bis jemand einem mitnimmt, sondern dass überhaupt wer vorbei kommt. Wir sind jeweils auf Teilstrecken mitgenommen worden, jeder bleibt stehen und lässt einem einsteigen, aber es ist so wenig Verkehr, dass wir doch einiges wandern mussten. Den gesamten Rückweg, ca. 3 Stunden sind nur zwei Autos in unsere Richtung gefahren, fünf kamen uns entgegen, das war es.
Mittwoch segeln wir zeitig los, die Nacht war ohnehin kaum Schlaf zu finden, wir steuern Nuku Hiva an. Der Anker fällt in der Hakatea Bay auf 6m Tiefe.
Die Marquesas bestehen aus 6 bewohnten und einigen unbewohnten Inseln und werden in eine Süd- und Nordgruppe geteilt. Alle sind vulkanischen Ursprungs, steil und weitgehend ohne Korallenriffe. Die Buchten daher sehr tief und offen, was wenig Schutz und eher schlechte Ankerplätze ergibt. Man steht meistens vor einem langen Sandstrand, nicht zu nah, weil doch beträchtlicher Tidenhub ist, der Grund ist meist gut haltender Sand, bei Wassertiefen zwischen 10 und 15 Metern. Je nach Windrichtung kommt mehr oder weniger Welle in die Bucht, also müsste man sich öfter mal umlegen wenn man es bequem haben möchte.
Fenua enata, Land of man, so werden die Inseln von den Einheimischen genannt. Sie sind 500 vor Christus aus Tonga oder Samoa hier her gekommen und scheinen sprachlich eher mit Hawai als mit den Society verwandt zu sein. Wie überall sind auch hier Spanier(1595), Amerikaner und Franzosen (1791) und ein Jahr darauf die Briten vorbei gekommen. Der Anspruch der Spanier auf das Land brachte nicht viel Veränderung, denn sie sind nicht geblieben und Papier ist geduldig. Später (1830) wurde auf Nuku Hiva ein amerikanischer Militärstützpunkt eingerichtet und die Missionierung im 19. Jahrhundert waren auch gröberere Einschnitte in die Inselgeschichte. Wie fast überall haben eingeschleppte Krankheiten die Bevölkerung rasch dezimiert und fast ausgerottet. Von den ehemals 80000 Einwohnern starben innerhalb von 80 Jahren alle bis auf 2094.
Trotz Missionierung findet man hier noch viele Zeichen der alten Kultur, Tohua -Versammlungsplätze, Meae- Tempel und Pae Pae- Plattformen für Häuser und reichlich Tiki (Götter und Beschützer).
Handwerkskunst, Musik, Tanz und traditionelle Sportarten sind hier Teil des Alltages, angeblich singen sie nirgends so schön wie hier. Die Tänze wirken sehr kriegerisch, der Halsschmuck aus Knochen erinnert noch an die Zeit des Kannibalismus, welcher hier angeblich noch sehr lange üblich war und dem auch der eine oder andere Missionar zum Opfer gefallen ist. Knochenschmuck wird heute aus Rinderknochen hergestellt, Robert hat sich einen Angelhaken aus Knochen gekauft, sieht toll aus.
Wir stehen hier, in der Hakatea Bucht vor einem langen Sandstrand alleine. Die Einfahrt zwischen 800 Meter in die Höhe ragende Felswänden ist beeindruckend, innen liegt man wie in einem Gebirgssee. In der Nacht leuchtet der Mond die Felswände an und weil es hier sonst absolut dunkel ist, zeigt sich auch die ganze Sternenpracht. Am Strand lebt eine Familie ums Eck, im zweiten Ohr der Bucht ein paar weitere. Täglich kommen ein oder zwei kleine Boote und bringen eine Hand voll Touristen die von hier aus zum Wasserfall wandern und da und dort treibt ein Fischerboot die Felswände entlang. Mit dem noch recht jungen Paar, welches hier wohnt, konnten wir uns nur mäßig unterhalten, sie sprechen kaum englisch und wir zu wenig Französisch. Er zeigt uns jedoch stolz was er so alles aus dem Meer fischt und fragt uns ob wir Ziege wollen. Er würde eine jagen gehen, klingt interessant, Robert könnte sogar mitgehen. Genau hier verschwand vor einigen Jahren ein junger Deutscher Segler bei einer Ziegenjagd, seine verbrannten Überreste wurden später gefunden und der Mann mit dem er unterwegs war, wurde wegen Mordes zu 28 Jahren Haft verurteilt. Was genau passiert ist, weiß man nicht, denn der Mann schweigt sich aus, bzw. hat er unterschiedliche Versionen von Unfall bis Notwehr. Also wollen wir es nicht drauf anlegen, gehen nicht mit jagen und würden Ziegenfleisch kaufen, falls möglich. Regen in der Nacht vermasselt uns leider den Genuss.
Samstag, der einzige bewölkte Tag mit sogar etwas Regen passt uns gut für die längere Wanderung zum Vaipo Wasserfall, der höchste in Französisch Polynesien. Über eine Stunde geht man auf dem alten königlichen Pfad zwischen den hohen Felswänden immer tiefer ins Tal hinein. Da und dort sieht man noch Steinplattformen im wuchernden Grün, Reste der königlichen Anwesen (König Te Moana und Königin Vaekehu lebten in diesem Tal), man quert einige Male den Fluss und zuletzt begibt man sich in ein, wegen Steinschlag gesperrtes Gebiet. Der Wasserfall stürzt wirklich über die steile Wand und bildet im Kessel einen schönen See, ideal für ein erfrischendes Bad. Ein lohnender Ausflug, überhaupt ist die Bucht einen Besuch wert.
Inzwischen ist es Ende September, was müssen wir noch alles erledigen, was gehört nach Österreich mit genommen, das sind unsere Hauptgedanken, trotzdem wollen wir noch ein paar Ausflüge machen, wer weiß ob wir hier nochmal vorbei kommen.
Wir verlegen uns in den Hauptort von Nuku Hiva, Taiohae. Hier sind wir nicht mehr alleine, 20 andere Yachten stehen in der großen Bucht. Wo kommen die bloß alle her?
Wo Infrastruktur ist stehen sie alle und hier ist der zweitgrößte Ort der Marquesas, es gibt alles, einige Magazine, einen Markt, Post, Gendarmerie und Krankenhaus. Am alten Kai liegen die Fischer und unsere Dingis und an der Hafenbar gibt´s Internet. Wir mischen uns unters Seglervolk und spazieren mal den Ort, welcher sich die ganze Bucht und die Hänge entlang zieht, ab. Wenig Schatten, wir gehen meistens in der pralle Sonne, da ist jedes klimatisierte Geschäft einen Besuch wert und schlussendlich findet man dann auch alles, was man noch so braucht. Ein paar Zwiebel, Eier selten, Brot nur vormittags, Gemüse frisch und preislich ganz ok. Man muss schon etwas vergleichen, denn ein Krautkopf kann drei oder gleich mal sechs Dollar kosten und Tomaten können gut haltbar oder schon fast hinüber sein.
Obst wird immer recht teuer angeboten, noch dazu wo man es eh überall findet oder geschenkt bekommt. Bei unserer Inselrunde haben wir eine halbe Bananenstaude einfach so bekommen, der Mann hatte sie über und sie werden dann ja alle gleichzeitig reif. An der Nordküste zwischen Hatiheu und Anaho stolpert man über Mangos und überall liegen Limetten herum. Wir haben reichlich mitgenommen und wieder mal Marmelade gemacht, Vorräte fürs nächste Jahr.
Wie immer vergeht die Zeit rasch, zu Fuß direkt vom Ort kann man ganz nett in die Nachbarbucht wandern und an der Ostseite zu einem Aussichtspunkt. Alles andere ist zu weit und überall muss man über die steilen Berge drüber, da macht man Höhenmeter. Es gibt angeblich einen Pfad von hier zum Wasserfall, den wir von der anderen Bucht aus besucht haben. 12 km lang, wird dieser Weg hauptsächlich beritten, wahrscheinlich weil man über die Hochebene muss und hin und retour ohnehin nicht an einem Tag schaffen würde.
Wir mieten für einen Tag ein Auto, ist sogar mit dem Allrad eine Herausforderung, immer wieder kriecht man mit dem ersten Gang die Kehren hinauf, die Straßen sind abenteuerlich in den Hang gebaut, zeitweise einspurig mit Ausweichen und an der Nordküste als Schotterpiste.
Von Taohaie aus führt eine Straße mal rauf auf den Pass um sich dort nach Osten runter in die Controleurs Baie und dann weiter auf die Nordküste zu winden. Die andere Richtung führt über die Hochebene quer über die Insel an die Nordwestecke zum Flughafen. Unser Glück war, dass gerade an diesem Freitag das Versorgungs- und Kreuzfahrtschiff Aranui 5, im Hafen angelegt hat und ein Konvoi an Fahrzeugen zur Inselrunde mit Touristenprogramm aufgebrochen ist. So war der Kunstmarkt in Taipivai mit tollen Schnitzereien geöffnet, wir vor dem Ansturm dort und an den historischen Stätten, die hier toll restauriert sind, gab es eine Tanzvorführung. Da nimmt man die große Schar an Touristen gerne in Kauf, nachdem sie dann ohnehin in Hatiheu Mittag essen mussten, trennten sich unsere Wege wieder, perfekt. Sonst ist wenig Verkehr, die Strecken von einem Ort zum nächsten sind weit und beschwerlich und jeder Ort hat das gesamte Programm der Grundversorgung, wunderschöne Buchten, besonders an der Nordküste gäbe es einige perfekte Plätze. Anaho soll eine der schönsten Buchten Polynesiens sein, sie ist vor allem auch wegen des Riffes gerne besucht, es steht nur ein Schiff drinnen. Leider gibt es hier Ciguatera. Unsere russischen Freunde von der Lady Mary haben sich Ende August hier vergiftet und waren über drei Wochen schwer bedient. Jetzt sind sie schwach aber fit genug um weiter reisen zu können, haben sie uns geschrieben. So schnell kann es passieren, wir sind gewarnt und essen hier nur gekauften Thuna oder Wahoo.
Die Strecke an der Nordküste bietet wahrscheinlich die schönsten Ausblicke auf Küste und Buchten, die Piste ist so durchlöchert dass sich sogar ein Allrad schwer tut, man schleicht im Schritttempo dahin, macht keinen Spaß und wenn die Straße nicht deutlich besser wird, bräuchten wir Stunden bis zur Nordwestecke, zum Flughafen. Wir wenden nach dem Blick in die Aakapa Baie mit ihren berühmten Felsnadeln, besuchen am Rückweg eine weitere archäologische Stätte und biegen dann Richtung Hochebene ab. Den Rest des Tages verbringen wir in den Alpen (Toovii) nur die Blicke die Schluchten hinab aufs Meer verraten, dass man auf einer Insel ist. Ausgedehnte Nadelwälder und Weiden mit Kühen und Pferden, soweit das Auge reicht. Da es nur wenige Zäune gibt, stehen immer wieder Tiere auf der Straße rum, die Bullen können einem schon etwas Angst machen, besonders wenn sie weg rennen. Ein wunderschöner Tag, Nuku Hiva gefällt uns. Blöd ist nur, dass es keinen öffentlichen Verkehr gibt und Ausflüge mühsam oder teuer werden, wenn man zum Beispiel in den Bergen wandern oder ausreiten möchte. Für heuer ist ohnehin nicht mehr genug Zeit, wir haben nur mehr zwei Wochen.
Sonntag besuchen wir hier in Taiohae noch die Messe um den schönen Gesängen zu lauschen und die moderne Kathedrale zu besichtigen, dann bereiten wir uns für die letzte Strecke vor.
Leider ist die nächste Zeit immer Ostwind angesagt, bedeutet wieder mal kreuzen, die Strecke verlängert sich fast auf das Doppelte. Einmal Tag-Nacht und zuletzt mit dem Motor aufs Ziel zu, sonst hätten wir noch den ganzen Tag benötigt und wahrscheinlich wäre es wieder dunkel geworden bevor wir eine Bucht erreicht hätten. Für mich eine schöne letzte Segelstrecke für diese Saison, wie auf Schienen pflügt unser Schiff durch die Sternennacht, es ist sagenhaft still, nur das Rauschen des Wassers, der gleichmäßige Klang begleitet die rhythmischen Bewegungen. Trotzdem, die Luft ist her außen, jetzt wollen wir rasch an Land um unser Schiff sauber und gut zurück zu lassen. Weil in Atuona, dem Hauptort auf Hiva Oa gerade gebaggert wird ist noch weniger Platz zum Ankern hinter der schützenden Mole, wir legen uns noch für eine Nacht in die nördöstliche Bucht auf Tahuata. Hier sind die schönsten Sandstrände, perfekt weiß, feiner Sand mit Kokospalmen, alles für uns alleine. Wir gehen ein letztes Mal schwimmen, machen nochmal Trinkwasser auf Vorrat für die letzten zwei Wochen und beginnen mit dem Abmontieren aller Leinen, Gurten und Rettungsmittel, die gesäubert verstaut werden. Fast bevor ich die Menge Wasser beisammen hatte, streikte der Wassermacher. Das Ventil leckt und ohne Druck kein Wasser. Robert schraubt gleich mal rum und versucht das Teil wieder dicht zu bekommen, klappt nur mäßig, wir brauchen einen Ersatzteil. Zum Glück können wir noch den Spülvorgang durchlaufen lassen, damit ist das Gerät mit einer Desinfektionslösung gefüllt. Irgendwie haben wir Glück, dass unsere Geräteausfälle nicht während der Fahrt passieren, man ist aber wieder einmal gewarnt immer genug Wasser im Vorrat zu haben. Die rasche Reparatur würde hier Wochen dauern, der Ersatzteil müsste erst eingeflogen werden, wir werden ihn nächstes Jahr einfach aus Österreich mitbringen.
Donnerstag verlegen wir uns nach Atuona, Thomas und Inge von der SY Saga sind schon da und versorgen uns gleich mit Infos. Wir besuchen den Yard und die Tankstelle, die einen perfekten kleinen Shop hat und vereinbaren unseren Krantermin für Freitag 6:30. Die Schiffe werden über eine Slipstelle an Land gezogen und dafür sollte Hochwasser sein. Sun-Downer bei uns mit Saga und eine unruhige Nacht, die Anspannung macht sich bemerkbar und in der Früh geht alles sehr rasch. Pünktlich werden wir aufgefordert zur Slipstelle zu fahren, zwei Leinen am Bug um das Schiff am Slipwagen zu fixieren, das ist alles. Das Team ist professionell, der Anhänger und die Zugmaschine modern und super gewartet, wir sind beeindruckt. Am Serviceplatz wird das Schiff mit Hochdruck gereinigt, da gehen viele Muscheln und Algen runter, den Rest machen wir dann mit der Spachtel und Erleichterung und Arbeitseifer lassen uns den ganzen Freitag arbeiten. Diesel wird auch gleich aufgefüllt, denn wir haben noch die Papiere um es zollfrei um 90 Cent zu bekommen. Leider geht es nur mit Kanistern, also 180 Liter mit der Scheibtruhe zur Marina karren, auf das ca. 2,5m über dem Boden stehende Schiff heben und mit einem Trichter in den Tank füllen. Jetzt beginnt die Zeit des Schleppens und ständigen auf und ab Kletterns, denn nur über die Leiter kommt man aufs Schiff.
Für Samstag haben wir uns mit Thomas und Inge für eine Inseltour zusammen getan, ein Suzuki Allrad ist auch hier nötig um auf den Serpentinenstraßen voran zu kommen. Über den Berg an die Nordküste geht es noch recht gut auf asphaltierter Straße, dann wird es wieder eng und größtenteils Schotterpiste. Die Ausblicke in die Berge, Täler und Buchten sind wunderschön, die Orte produzieren Kopra, Obst und Gemüse, alles sehr gepflegt. Man hat teilweise das Gefühl in einer Parklandschaft spazieren zu gehen. Wir besichtigen die Tikis von Pumau und wieder zurück an der Südküste die Anlagen von Taaoa. Die Insel ist 387 Quadratkilometer klein, trotzdem haben wir 113 km zusammen gebracht und sind müde als ob wir gewandert wären. Unsere Räder sind auch wieder aktiv, die 5km nach Atuona sind so ganz angenehm zu bewältigen, zu Fuß über den kleinen Berg wäre es jedes Mal eine Wanderung von einer Dreiviertelstunde, schon etwas viel um ein paar Bier oder Brot für's Frühstück zu holen. Hier ist die Versorgung auch ganz gut, nur Obst und Gemüse gibt es weniger und nicht so frisch wie in Nuku Hiva und preislich sind sie etwas teurer. Uns derzeit egal, denn wir essen noch alles auf, was im nächsten halben Jahr verderben würde, zum Beispiel unsere Kürbisse.
Sonntag geht's dann wieder mit Eifer an die Arbeit. Unser Dingi wird an Deck aufgestellt und fungiert als großer Wascheimer. Leinen, Planen und später auch die gesamte Wäsche wird hier eingeweicht, gewaschen, ausgewunden, gespült und wieder gewunden und in der Sonne zum Trocknen ausgehängt. Damit bin ich einige Tage beschäftigt, nebenbei wird innen und außen alles geputzt, nach einer Woche schlafen meine Hände in der Nacht immer wieder ein. Carpaltunnelsyndrom, Überlastung, ich bin solche Arbeiten nicht gewohnt und sehne mich nach einer Waschmaschine.
Robert beschäftigt sich mit all den technischen Dingen, Service von Motoren, schmieren aller Lager und des Propellers, Kette reinigen und Unterwasserschiff fertig schleifen. Dabei ist er zeitweise schwarz wie ein Kohlearbeiter, das bedeutet Hausverbot, den Dreck möchte ich nicht auch noch wegputzen müssen. Wie immer reizt es bei der Arbeit hier und da, also eigentlich klappt fast nichts ganz einfach, immer ist irgendwas zu improvisieren oder es klemmt was. Die Fettpresse baut keinen Druck auf, dann quillt alles an den falschen Stellen heraus, Schrauben reißen ab, usw. Diesmal erträgt er es mit ganz guter Laune, ich kenne das auch anders, mit Schimpfen und Fluchen. Eine besondere Herausforderung sind die Gleitlager unseres Schwertes. Es wackelt so, dass wir es am Ankerplatz nicht unten lassen können, diese Reparatur steht also an. Mit Bauchweh machen wir die Servicedeckel am Schwertkasten im Salon auf und sehen in den dunklen Schacht. Es stinkt erbärmlich heraus, totes Meereszeug verwest da vor sich hin, hier kommt niemand zum Putzen ran und so versammelt sich alles, was sich in den letzten Jahren hier fest gesetzt hat. Die weißen Streifen aus Spezialkunststoff sitzen, wie könnte es anders sein, fest in ihren Nuten und bewegen sich auch mit einem Hebel gezogen keinen Millimeter. Echt ärgerlich, Robert recherchiert im Internet, welches wir hier in der Marina haben, mit welchen Tricks man diese Dinger raus bekommt. Und so beschäftigen wir uns einige Tage immer wieder mit diesem Projekt. Besonders mühsam ist, dass überall Ungeziefer lauert, besonders Kakerlaken sausen ziemlich ungeniert herum und suchen sich den Weg ins Schiff. Jede Öffnung muss bewacht und sofort wieder verschlossen werden, denn wenn sich die Viecher mal im Boot verstecken und womöglich vermehren, haben wir nächstes Jahr hier eine echte Plage. In diesem modrigen Kasten sitzen sie natürlich besonders gern, wahrscheinlich ernähren sie sich von dem stinkenden Zeug. So gehört zu dieser Arbeit neben dem Werkzeug auch der Kakerlakenspray im Anschlag um jederzeit Eindringlinge anschießen und morden zu können. Neben den bis zu 8 cm Großen gibt es hier die ganz kleinen Kakerlaken, sind so groß wie Fliegen und unheimlich flink. Sie fliegen auch davon wenn man in ihre Nähe kommt, sind mittelbraun und damit perfekt auf jedem Holz getarnt. Täglich treffen wir draußen und drinnen welche, vier bis fünf meistens, die wir natürlich auch gleich erledigen. Mit dem Spray kurz anzielen, dann laufen sie noch ein paar Schritte und fallen tot um, dann entsorgen. Die größte Herausforderung ist der Moskitovorhang vor dem Niedergang, bei jedem Rein- und Rausgehen muss man ihn wieder gut schließen, da geht nichts schnell und Robert ist zunehmend genervt.
Der Boden hier ist Erde mit Wiese, also sind hier überall Tiere unterwegs, bei uns vielleicht besonders viele, weil wir direkt neben, oder besser über dem kleinen Toilettenhäuschen stehen. Beim Positionieren des Schiffes haben wir es kurz touchiert, also es ist wirklich knapp. Zur Sicherheit wird in der Nacht die Türe von innen zugemacht. Wegen der Gefahr menschlicher Eindringlinge (Überfällen) haben wir uns nie dazu durchringen können, ist ohne Luftdurchzug deutlich stickiger drinnen und noch mehr Aufwand wenn man mal kurz raus möchte. In dieser Ausnahmesituation ist es uns trotzdem lieber so. Wieder einmal wird uns klar, dass wir nicht länger als nötig auf einer Werft leben können, wir hoffen, dass wir nie gezwungen sind wegen größerer Reparaturen monatelang so abzuhängen.
Die Zeit vergeht rasch und immer ist noch genügend Arbeit vor uns, es wird zunehmend anstrengender, wir werden körperlich müde und das ständige Aufpassen und die Angst vor Ungeziefer nerven. Besonders fies ist, dass jederzeit unerwartet neue Projekte auftauchen und Probleme bereiten. So zum Beispiel der Abfluss im Bad. Ich nehme mir diesen winzigen Raum vor, sollte schnell erledigt sein, doch dann die Überraschung. Aus dem Abfluss des Waschbeckens quillt eine weiße Masse, die schnell identifiziert ist- geronnenes Kokosfett. Tja, im Juni hat sich eine Dose Kokosöl, welches Viktoria zur Haarpflege mit hatte, beim ersten Wellengang geschmeidig in den Abfluss entleert. Es war weg, spurlos über den Abfluss entschwunden, ein Verlust von ein paar Euros, soweit damals kein Problem. Das Waschbecken wurde auch regelmäßig genutzt allerdings nicht übermäßig, weil es ja nur mit Süßwasser funktioniert und wir davon nicht allzu viel haben. Kokosfett gerinnt und hat jetzt die Konsistenz von Butter, der Abfluss ist damit ausgekleistert, nichts rinnt mehr ab. Alles ausbauen, eine Arbeit die man sich sparen möchte, denn dazu muss man wieder Wände abbauen und Böden aufreißen. Wir versuchen es mal mit heißem Wasser, vielleicht wird es wieder flüssig und rinnt doch noch ab. Zusätzlich arbeiten wir mit der Saugglocke und spülen mit dem Wasserschlauch. Am letzten Tag dann endlich der Erfolg, Reste des geronnen Öls lassen sich aus dem Waschbecken entfernen und klares Wasser rinnt wieder ab.
Letzter Tag, alles wird endgültig gestaut, wir kontrollieren unsere Listen mit allem was wir nicht vergessen sollten, das Dingi wird am Deck platziert und zwei Planen über das Schiff gespannt. Der Wassertank ist leer und gereinigt, unsere Gepäckstücke mal gewogen, zweimal deutlich unter 23 Kilo, passt so. Ohne Wasser am Schiff und mit blank geputzter Küche möchte ich abends essen gehen. Wir starten zum Lokal am Hafen, welches natürlich gerade heute geschlossen hat. Damit bleibt uns nichts anderes übrig als die fünf Kilometer bis zum Ort zur Pizzaria zu spazieren. Ist vielleicht ein guter Ausgleichssport zur gebückten Arbeit. Das Essen war gut, jetzt sind wir wirklich müde, eine letzte Nacht und dann Anflug.
Dienstagfrüh haben wir noch genug Zeit um die letzten Handgriffe zu tun und unser Gepäck auf Vollständigkeit zu prüfen. Ein komisches Gefühl, so endgültig, erst jetzt wird uns die große Umstellung bewusst. Zwei Jahre waren wir durchgehend am Schiff, nur eine Nacht haben wir in Puerto Rico an Land geschlafen, insgesamt keine vier Wochen in Marinas verbracht. Das Geschaukel, die Dingifahrten, schnell mal ins Wasser gehen und vieles mehr geht uns jetzt schon ab. Mal sehen wie wir das Landleben empfinden und wie uns der Winter bekommt.
Punkt 10 Uhr fährt Maria, die Frau von Vincent mit ihrem Pickup vors Schiff und lädt unsere Taschen auf. Sie bringt uns zum Flughafen, echt nett. Sie verrät uns auch, dass Vincent hier am Flughafen als Techniker arbeitet und auch Privatpilot ist, das erklärt den hohen Standard seiner Ausrüstung und die Perfektion.
Nur langsam füllt sich der kleine Flughafen, zeitweise regnet es, wir entspannen uns zunehmend, was wir vergessen haben ist nicht mehr zu retten. Mit etwas Verspätung starten wir, zuerst geben die Wolken nur einige Blicke auf die Küste Hiva Oas frei, dann geht es übers endlose Blau. In etwas über drei Stunden legen wir die Strecke zurück für die wir 12 Tage benötigt haben und wir sehen einige der Tuamotus Atolle von oben, wunderschön. Wir freuen uns auf zu Hause und trotzdem ist es ein Abschied mit etwas Wehmut. Französisch Polynesien hat unsere Herzen gewonnen.