Las Perlas, noch ein paar Tage Panama
Sonntag, 28.1.2018, 6:45, es ist schon hell und die orange Kugel schiebt sich gerade über den Horizont, wir gehen Anker auf und fahren mal aus der Bucht raus. Auf dem AIS wimmelt es nur so von Signalen, der Alarm muss aus bleiben sonst haben wir einen Dauerton im Ohr. Wir müssen ohnehin Ausschau halten in so einem Verkehrsgebiet. Unser Kurs liegt genau gegen die Sonne, mein Herz hüpft vor Freude, es geht los. Die Las Perlas Inseln liegen auf der Strecke und sind damit wirklich Perlen, denn man kann die ersten Tage ankern und die Nacht über schlafen und man kann noch mal baden gehen und etwas ausspannen nach all der Hektik die die Großstadt und alle Vorbereitungen mit sich gebracht haben. Und man wartet dort viel besser auf den passenden Wind, im Moment schieben wir uns bei 5 Knoten Wind langsam mit dem Gennaker vorwärts, wenn man jetzt gleich die ganze Strecke vor sich hätte käme einem das viel zu langsam vor, Schneckentempo und 2750 Meilen vor sich.
Ich genieße den Sonnenaufgang und fotografiere diesen besonderen Moment, auch die Skyline, die jetzt hinter uns verschwindet. Noch bevor wir den Gennaker setzen, der erste Biss an den Angeln, eine drei Kilo schwere spanische Makrele, Abendessen gesichert, Fischsuppe für die nächsten Tage auch.
Diese Ruhe, eine angenehme Brise macht es nicht zu heiß, das Meer glitzert vor uns, Delphine begleiten uns, der Absprung ist geschafft, denn wenn uns nicht wirklich was zwingt kehren wir jetzt nicht mehr um, der Atlantik, Panama und der Kanal liegen jetzt hinter uns, das nächste große Kapitel unserer Reise wird aufgeschlagen, die wirklich langen Strecken, Gebiete mit wenig Versorgung und vor allem kaum Möglichkeiten was richten zu lassen, gut, dass Robert fast alles selbst hinkriegt.
Wir sind erstaunlich ruhig, normalerweise hätte Robert jetzt schon Magenschmerzen oder er fühlt sich grippig, er fühlt die Anspannung immer auch im Körper, ich schlafe schlechter und träume vielleicht mal unruhig, aber unter Tags kann ich das Meer in seiner unendlichen Weite und jetzt auch Ruhe genießen, ein bisschen mehr Bewegung im Schiff, also Fahrt wäre auch nicht schlecht, aber so ist es bequem, fast ruhiger als am Ankerplatz wo uns vorbeikommende Schiffe ganz schöne Wellen beschert und uns aufgeschaukelt haben. Zeitweise sind auch einzelne Riesenwellen in die Bucht hineingelaufen, da fällt alles um was rumsteht und nicht festgekeilt ist, besonders gefährdet sind Dinge die höher als breit sind, also Flaschen und Trinkbecher, sollten am Schiff ohnehin soweit möglich aus Plastik sein.
Angeblich gibt es hier immer wieder Wellen die von kleineren Erdbeben herrühren, also Tsunamiwellen im Kleinformat, kaum auszudenken was da los wäre wenn wirklich eine Tsunamiwelle alles an Land schiebt. Die Gefahren, die wir in Landnähe haben sind wir jetzt mal los, jetzt ist es wichtig, dass das Schiff dicht ist und Segel und Motor keinen Schaden nehmen und dass wir gesund bleiben, zumindest soweit, dass wir kein Spital und OP brauchen.
Am Nachmittag nimmt der Wind noch zu und wir können die ganze Strecke segeln obwohl starke Strömung uns schön bremst. Unser Anglerglück wird noch getoppt, noch drei große Thunas gehen an die Angel, wir salzen und kochen ein, jetzt kommen wir auch gut über magerere Zeiten. Unser Ankerplatz zwischen Isla Chapera und Isla Mogo Mogo ist wunderschön, ein wenig unruhig, aber das sind wir ja gewöhnt, sonst hört man nur die Brandung die den Sandstrand hinauf läuft und betrachten den übervollen Sternenhimmel. Der Mond ist schon fast voll und leuchtet hell, eine dieser wunderschönen Nächte, eine Stimmung die man sonst nie so mitbekommt.
Wir nutzen die Bucht auch um mal mit dem neuen Kajak herum zu paddeln, geht super, man sitzt bequem und kann ganz nah an den Felsen entlangleiten oder mal an den Sandstrand raus, das Boot ist rasch an Land gezogen. Nach zwei Tagen ziehen wir weiter, wir wollen an das südliche Ende der Isla del Rey, der südlichsten und größten Insel der Las Perlas Gruppe. Hier gibt es noch einige schöne ruhige Ankerplätze, eventuell auch einen Fluss, den man ein wenig entlangfahren kann und einen Ort um ein letztes Mal Wasser zu bunkern und Müll zu entsorgen. Internet wäre natürlich auch gut wenn es nochmal funktioniert, gestern hatten wir nur wenige Momente mit schwachem Netz, heute ging es kurz als wir am größeren Ort an der Nordküste vorbeigesegelt sind, ums Eck ist es dann wieder vorbei damit.
Der zweite Segeltag beschert uns erneut Anglerglück. Diesmal sind es sechs spanische Makrelen, insgesamt 5kg Filet, Robert ist hinten am Heck ganz schön beschäftigt und ich hinterher alles weiter zu verarbeiten. Wir kochen reichlich ein, braten vor und vakuumieren portionsweise, ein Teil wird morgen frisch verzehrt und heute gab es gleich mal frisches Ceviche, so gut, wie wir es am Fischmarkt in Panama City um 1,50 Dollar gegessen haben.
Der Pazifik zeigt sich von seiner besten Seite, wir genießen die Tage mit dem Blick auf die große Strecke, wann ist das richtige Wetterfester. Noch ist es nicht sicher, aber vielleicht können wir so ab dem 2.2. starten, vielleicht auch erst später. Wichtig ist, dass die Strecke mit Gegenwind oder Flaute möglichst gering ist, sonst treibt es uns Richtung Ecuador ab und dort wollen wir eigentlich nicht hin, obwohl es heuer unter Seglern ein recht beliebtes Ziel ist. Wenn wir so über die besten Bedingungen diskutieren kommt schon wieder Spannung auf, irgendwie möchte man nichts falsch machen, ist sich aber nicht sicher ob die Wetterkarten stimmen und weil es hier sehr gemütlich ist, wäre es ganz schön noch ein wenig abzuhängen. Man spürt den Zwiespalt, bleiben oder weiter, ist es ein Vorteil sich mit einer anderen Yacht abzustimmen oder macht das zusätzlichen Stress?
Inzwischen haben wir auch wieder Meldung von der SY Sweet Cheriot, der englischen Segelyacht mit Toby und Samantha, die auch mit uns zu den Osterinseln segeln wollen. Samantha hatte ein Jobangebote in Panama bekommen und musste noch ein paar Tage verhandeln und überlegen ob sie es annimmt und für ein bis zwei Jahre hier bleibt, oder ob sie doch weiter wollen. Die Würfel sind gefallen und sie kommen in den nächsten zwei Tagen nach und dann stimmen wir gemeinsam ab, wann es losgehen soll. Toby hat eine Wettervorhersage von einem Meteorologen der britischen Navy, den sollte man schon ernst nehmen.
Wir sind inzwischen am südlichen Ende der Isla del Rey angekommen, hier gibt es den Ort Esmeralda und einen schönen Ankerplatz vor dem Rio Cacique den wir jetzt auch für die nächsten Tage nehmen. Unsere Hoffnung hier nochmal Internet zu bekommen zerschlägt sich noch bevor der Anker vor dem Dorf gefallen ist, nicht mal irgendein Hauch von Signal am Handy. Der Ort sieht, so wie beschrieben nach einem kleinen Fischerdorf aus, Einheimische kommen in ihren Holzeinbäumen auch gleich zu uns herangepaddelt und hängen an der Reling. Rechts ein Mann, der uns Obst, Wasser und was wir sonst noch brauchen könnten anbietet, links zwei Boote und vier Kinder die Süßes wollen. Wir nehmen Bananen, die nächst Woche reif sein sollen und die Kinder bekommen je eine Cola Dose, Süßes halten wir eher zurück, sonst können wir uns der Kinder nicht mehr erwehren. Kurzes Krisengespräch - brauchen wir noch Internet oder können wir auch so starten? Wir wollen hier nicht mehr weg und Bernd und Birgit geht es genauso, also beschließen wir uns erstmal den Ort anzusehen damit wir wissen ob wir vor dem Start hier nochmal Stopp machen. Die Einheimischen fahren mit ihren größeren Booten mit dem Außenbordmotor rasch Richtung Strand, kippen dann den Motor hoch und gleiten mit der Welle ins Trockene. Sieht leicht aus, ist es aber nicht, also beschließen wir lieber zu paddeln.
Eine Horde Kinder springt ins Wasser und hilft das Boot an Land zu ziehen, dabei werden sie alle klitsch nass, ist ihnen aber egal, sie lachen und haben Spaß. Sie begleiten uns auch, wollen mit uns reden, was aber nur schlecht gelingt weil wir ihr Spanisch überhaupt nicht verstehen und sie gar nicht englisch können. Mit Händen und Füßen zeigen sie uns alles, die Schule, ihre Hühner, würden uns auch gleich eines verkaufen, ihre Schweine, die etwas abseits im Wald angebunden sind und zuletzt der Ort an dem man Handyempfang hat. Nur zum Telefonieren, Internet haben sie hier nicht, erklärt uns nochmals ein Erwachsener. Für uns ist das ein völlig neues Gefühl so eine Attraktion zu sein, alle sind freundlich und lassen uns in ihre Kochtöpfe, welche am offenen Feuer vor der Hütte stehen schauen. Sie essen Iguanas, Muscheln, lauter Spezialitäten auf die sie stolz sind, die uns aber nicht so lecker vorkommen, wir wollen hier an Land ohnehin nicht essen, haben noch genug frischen Fisch an Bord. Das Wasser aus der Leitung ist kein Trinkwasser, also werden wir hier auch keines bunkern, Obst könnte man hier noch frisches bekommen.
Läden gibt es zwei mit der üblichen Auswahl an Konserven, so wie es aussieht kommt alles übers Meer, denn es gibt nur Wege und keine Straßen im und um den Ort. Der Ort ist vollkommen abgeschnitten vom Rest der Insel, auf der noch ein zweiter größerer Ort ist, der aber auch keine Straße hat, also kann man zwischen den beiden Orten maximal zu Fuß hin und her, dafür bräuchte man aber einen Guide und viel Zeit, ist sicher ein Tagesmarsch.
Unsere Schar Kinder begleitet uns auch zum Handyplatz, ein gut ausgetrampelter Pfad führt leicht bergauf in den Wald, dort steht ein offener Unterstand mit kleinen Bänken und Pulten an denen Dorfbewohner allen Alters ihre Handys auflegen und telefonieren. Ein Netz geht, Movistar, Digicel nicht, damit sind wir schon draußen aus der mageren Kommunikation. Es macht trotzdem Spaß sich hier alles mal anzusehen, die Kinder lassen sich gerne fotografieren, fragen natürlich nach Geld und Süßem, aber sie akzeptieren es, dass wir nichts dabei haben, laufen weiter munter und mit Spaß mit uns mit. Zurück am Strand sind sie so schnell wie sie gekommen sind wieder weg, sie hüpfen alle in ein Motorboot und düsen mit dem Erwachsenen davon.
Unser Start durch die Brandung ist dann nass, wir kommen aber gut zu unseren Booten zurück und verlegen uns zum Rio Cacique. Hier liegt man deutlich ruhiger, weniger Welle, kaum Wind, ideal um letzte Vorbereitungen am Schiff zu treffen, die nächsten Tage wird uns hier sicher nicht fad.
Wir arbeiten so vor uns hin, ich erledige die letzten anstehenden Näharbeiten, Robert checkt nochmal die Technik, wir laden Bücher auf unsere Bookreader und Musik auf die MP3 Player, jetzt haben wir ja viele Nächte Zeit um zu lesen und Musik zu hören. Der Wind frischt auf und es wird etwas ungemütlich, wieder mal die ständige Bewegung in der sich aufbauenden Welle, es wird Zeit zu starten. Wir laden auch wieder Grib Files runter und legen sie mit unserem abgesteckten Kurs über die Karte, irgendwie scheinen wir wirklich nicht an dem Flautengebiet vorbei zu kommen. Die ersten Tage ginge es ganz gut voran, dann würden wir stehen oder im leichten Gegenwind rückwärts treiben, oder den Motor bemühen müssen. Fragt sich nur wie lange, wir können uns nicht vorstellen einen ganzen Tag oder mehr den Motor laufen zu lassen, also würden wir stehen.
Morgen ist große Besprechung, da bekommen wir auch die Informationen vom Meteorlogen von der Navy, vielleicht hat der auch Informationen über die Strömungen, denn der Humboldtstrom würde auch noch gegen uns arbeiten, bzw. sollte man ihm großräumig ausweichen.
Heute ist unser Großeinkauf eine Woche her, wir kontrollieren täglich unser frisches Obst und Gemüse und essen, was reif ist und sonst verfaulen würde. Noch haben wir genug von allem, mal sehen welches Gemüse die dritte Woche und dann vielleicht auch noch die vierte erlebt. Als ich früher in den Büchern gelesen habe, dass Segler täglich die Tomaten sortieren, musste ich schmunzeln und dachte, so fad soll mir mal sein, jetzt hab ich meine täglichen Rituale, zu denen jetzt neben Pökelfisch versorgen, Kräuter gießen, Wasser im Kühlschrank aus tunken, Getränke nachfüllen,... auch Tomaten schlichten dazu gehört.
Ja das Leben verändert sich auf Reisen, neue Wichtigkeiten bestimmen den Alltag.
Montag legen wir ab, wurde beschlossen und wir sollen so südlich wie möglich segeln, also doch nahe an Ecuador heran um dann sobald der Wind aus Süd kommt gegen Südwest halten zu können. Der Humboltstrom soll derzeit nicht allzu stark sein und auf dieser Route haben wir kaum Flaute, wäre also ideal, wenn die Vorhersagen so stimmen, was man ja nie so genau weiß. Egal, wir starten auf jeden Fall mit gutem Rückenwind, der Rest wird sich dann ergeben. Toby hat gleich ein richtiges Brifing gemacht, so wie beim Militär üblich, also wann erreicht wer wen, was machen wenn der Kontakt abbricht, usw. Robert hat da einiges zu tun, denn wir können uns über Kurzwelle mit Toby unterhalten und über Pactor und Kurzwelle Bernd aufs Sattelitentelefon schreiben, oder auch mit unserem Sattelitentelefon anrufen. Wir werden regelmäßig Grib Files laden und die Informationen verteilen, na da hoffen wir, dass bei uns die Technik nicht streikt.
Weil jetzt die letzten zwei Tage angebrochen sind, wird tagsüber weiter vorbereitet. Ich nähe noch eine Wanne aus unserem Rest fester Folie um darin die Fische an Deck versorgen, also murksen zu können, die Sauerei jedes Mal sollte ein Ende haben. Wir fahren an Land und verbrennen den letzten Müll, den wir nicht über den Teich schleppen wollen, ab jetzt wird wieder penibel getrennt und der Mist gewaschen damit man ihn geruchsneutral lagern kann, auch ein Problem, welches an Land nicht besteht, Biomüll kommt ins Meer, anders geht es nicht.
Ein letzter Ausflug mit dem Paddelboot, auch ich will noch mal ein Stück in den Fluss rein, Robert hat sich schon mal umgesehen, ein breiter Mangrovenfluss welcher bei Niedrigwasser recht seicht ist, ich kam gleich gar nicht über die Stromschnelle der Einfahrt, hab dann am Strand geparkt und bin zu Fuß gewandert. Hab gerade das maximal abfließende Wasser erwischt, fünf Meter Tide ergibt reichlich Strömung und der Wind, der auch gegen an ist tut den Rest dazu. Zurück ist es dann allerdings sehr bequem, man lässt sich treiben.
Wir laden am Abend zum Grill, jeder bringt was mit, so wie beim Pot Luck, denn alle haben was an Bord was verbraucht gehört, wir haben reichlich, es wird ein netter Abend.
Immer wieder kommen Einheimische herangepaddelt oder mit ihren Fischerbooten mit Motor vorbei, selten, dass sie was verkaufen wollen, meistens wollen sie was abgreifen. Jugendliche fragen nach Sprit für den Motor, scheinen aber noch genug zu haben um sinnlos in der Bucht herum zu düsen. Eine Familie hätte gerne was vom Gegrillten, was aber leider schon aus war und immer wieder bitten sie um Wasser. Trinkwasser scheint hier tatsächlich Mangelware und ein kostbares Gut. Wir geben immer wieder mal eine Flasche raus, das Wasser wäre ja nicht so das Problem, weil wir es ja ohnehin selbst produzieren, nur die Flaschen gehen uns rasch aus.
Sonntag hilft Toby uns noch die Wantenspannung zu kontrollieren, welch Luxus, den wir hier bekommen und bei Café, Tee und Kuchen und einem Gläschen Wein sacken wir noch auf der Rebell ab. Fair Winds, gute Fahrt, das nächste Mal stoßen wir auf der Osterinsel miteinander an, in spätestens 25 Tagen wünschen wir uns alle.