Überfahrt Kanaren
Jetzt waren wir lange in Portugal, fast drei Wochen
am Stück in der Bucht von Olaho, das Meer ruft, mich zieht es hinaus. Robert hätte prinzipiell keine Probleme noch länger zu bleiben, ist auch etwas verkühlt, so quasi im Krankenstand. Nach
kurzer Diskussion und Abwägung von Windverhältnissen und Zeitplan dann die Entscheidung, wir gehen Anker auf. Und weil wir für diesen Prozess so ca. zwei Stunden gebraucht haben, müssen wir uns
wieder gegen die Strömung rausquälen, denn Niedrigwasser war um acht Uhr, bis dahin, oder kurz danach wäre es noch deutlich leichter gegangen. Anfang haben wir das mit den Strömungen noch nicht
durchschaut, jetzt wüssten wir es und schaffen es trotzdem nicht. Zeitdruck ist etwas mit dem wir schlecht umgehen können und zum Glück gibt es auf der Reise wenige Momente die einer Uhr
bedürfen. Die wenigen Termine, wie zum Beispiel Strömungszeiten, sollte man jedoch einhalten um sich Ärger und Mühen zu ersparen. Wir lernen dazu.
Die Strecke
bis zu den Kanaren ist die bisher längste, die wir im Stück segeln und es ist die erste am Atlantik auf dieser Reise. Wir sollten auch deshalb rasch aufbrechen, denn für Sonntag ist wieder ein
stärkerer Ostwind angesagt, draußen hat er sich dann schon auf moderate 25 Knoten abgeschwächt, wäre ein idealer Wind, wenn wir Sonntag schon so zweihundert Meilen von Portugal entfernt sind. Zu
Beginn ist wenig Wind, also geht es mal sehr langsam los, zum eingewöhnen, wir haben Zeit zu fischen und fangen tatsächlich auch rasch wieder unsere zwei Makrelen. Einige weitere kommen beim
Einholen von der Angel ab, später beißt auch noch ein Bonito, und gegen Abend ein Knurrhahn, oder so was ähnliches, er ist schleimig, sieht böse aus, grunzt und schnappt mit seinem
schnabelartigen Maul, Robert befreit ihn vom Haken und wirft ihn wieder rein.
Fischen ist für uns noch so wie Schwammerl suchen, was du nicht kennst nimm nicht,
da haben wir noch viel zu lernen, aber immerhin haben wir jetzt auch schon einige Male frisch gefangenen Fisch am Teller. In unseren Fischbestimmungsbüchern steht über den Knurrhahn, dass er nur
selten gegessen wird, wir wollten es nicht probieren. Der erste Tag vergeht rasch, wir kommen zwar nur magere dreißig Seemeilen weiter, aber wir sind unterwegs und uns sicher, dass der Wind bald
einsetzen wird.
In der ersten Nacht, wieder mondhell, geht es schon recht gut voran, nur gegen früh dann zu wenig Wind für die doch deutlich höhere Welle, die Segel fallen ständig ein um
sich anschließend wieder mit einem Ruck mit Wind zu füllen. Erst der Gennaker ist flexibel genug um auch bei der Welle im Wind gefüllt zu bleiben und so schaffen wir über den zweiten Tag, Samstag
zwischen fünf und sieben Knoten, ein Traumsegeltag. Ich übe mich auch gleich mal im Kochen bei Seegang, backe ein Brot, die Fische werden gleich im Backrohr mitgebraten, mixe einen Aufstrich und
erzeuge einen ersten Apfelstrudel mit selbst gemachtem ausgezogenem Blätterteig.
Auch in der zweiten Nacht und am Sonntag geht es gut voran, Wind von hinten, die
Welle schiebt ordentlich an, wir surfen so richtig die Wellen hinunter, was jedoch deutliche Schiffsbewegungen macht, die ausgesteuert werden müssen. Für den elektrischen Autopiloten kein
Problem, die Windsteuerung, die wir einsetzen wollen um den Autopilot zu entlasten und Strom zu sparen, schafft das Nachdrehen leider nicht, vielleicht noch nicht, weil wir auch da sicher noch
nicht alle Tricks durchschaut haben und verschiedene Einstellungen ausprobieren müssen. Zeit dafür haben wir ja hier draußen, in unserer Welt aus Wasser und Himmel. Über den Tag sehen wir so ein
oder zwei Schiffe, manchmal nur am Bildschirm, wir sind hier fast alleine unterwegs und wenn das Wetter so bleibt ist es unheimlich ruhig und friedlich. Sonntags dann zwei richtige Bonitos an der
Angel, jede 35 cm lang und 650 Gramm schwer, mein erster Fang, ich bin begeistert. Ehrlich gesagt unser erster Fang, denn ich hab die Angel reingehängt und den Fisch rausgeholt, den Rest
erledigt dann Robert, denn mit dem erschlagen und erstechen hab ich es noch nicht so und zum Glück waren sie nicht größer, denn sonst hätte ich sie wahrscheinlich auch nicht rausziehen
können.
Hier am weiten Meer ist die Natur sehr einfältig, aber gerade das ist so faszinierend. Egal wann und wohin man den Blick wendet, außer unserem Boot
keine technischen Dinge, keine Lichter, kein Lärm, unvorstellbar, man kann sich gar nicht satt sehen. Und dann sind jeden Tag die tollen Sonnenauf- und untergänge und in der Nacht der Mond und
ein Sternenhimmel mit tausenden Glitzerpunkten. Heute war zwischen drei und fünf Uhr Mondfinsternis und weil man ohnehin wach ist kann man so ein Naturschauspiel erste Reihe fußfrei genießen. Der
Mond wollte heute überhaupt nicht untergehen, nach sieben Uhr stand er noch voll und rot hoch über dem Horizont. Erst die Helligkeit und die glutrote Sonne haben ihn vertrieben.
Montag, heute haben wir die halbe Strecke hinter uns, es ist nicht so wichtig, weil noch Zeit genug bis zum Ankommen ist und man ohnehin nichts beschleunigen kann, aber irgendwie interessiert es einem doch. Wir segeln gemütlich vor uns hin, immer wieder begleiten und Delphine, die vor dem Burg spielen und begeistert zu uns rauf schauen. In der Nacht machen sie sich durch ihr Blasen bemerkbar und dann sieht man sie pfeilschnell heranschiessen. Tolle, elegante Tiere, man muss sie einfach beobachten und Zwiesprache mit ihnen halten, sie sind anders alles alle Fische, eher so wie Hunde und Katzen, die einem auch oft freundlich entgegenkommen, man kann sich gar nicht vorstellen, dass sie auch gegessen werden. Wir wollen nie einen an der Angel haben. Auch Vögel landen bei uns an Bord und rasten sich aus. Zuerst ein kleiner Singvogel, der gleich frech ins Boot hinein fliegt und sich schlussendlich auf den schlafenden Robert setzt. Nach dem Schreck bleibt er dann doch besser an Deck, rastet im nötigen Sicherheitsabstand von uns und ist dann genauso unauffällig wie er gekommen ist wieder weg. Ein größerer, der aussieht wie eine kleine Taube, fährt lange mit, hinterlässt einige Vogelschmatzer, weswegen er von Robert beinahe rausgeschmissen wurde und verlässt uns erst mit Einbruch der Dunkelheit. Er sah so müde aus, dass wir schon befürchteten er stirbt bei uns. Auch dieser Tag beschert uns Anglerglück, zwei kleinere Bonitos und eine kleine Dorade, die größeren Angelhaken mit den bunten Calamari für den großen Fang waren immer noch nicht erfolgreich. Bisher konnten wir alles rasch verspeisen, kein Problem etwas aufheben und konservieren zu müssen, vielleicht auch ein Vorteil.
In der Nacht auf Dienstag wird es immer langsamer, der Wind schläft
ein, wir kämpfen tapfer mit dem Gennaker bis wir ihn schließlich bergen müssen und uns auf einer ölig glatten Wasserfläche treiben lassen.
Die Wettervorhersage
über Kurzwelle verheißt uns bis Donnerstag keine brauchbaren Winde, Gran Canaria scheint unter diesen Bedingungen unerreichbar. Drei Tage mehr oder weniger treiben lassen, keine guten Aussichten,
vielleicht erreichen wir das näher gelegene La Graciosa mit leichtem Windhauch, wäre eine Alternative, oder eben aussitzen, diese Übung gehört ja zu solchen Überfahrten dazu, warum also diesmal
nicht.
In der Nacht auf Mittwoch einer der ersehnten Windhauche, wir können vier Stunden segeln, den Rest stehen wir wieder. Damit
sind es in der Früh dann noch 90 Meilen nach La Graciosa und 198 nach Gran Canaria. Ohne Wind beides in weiter Ferne, die Fläche wird inzwischen immer glatter, was den Vorteil hat, dass das
Schiff ruhiger steht. In der Nacht können wir beide einige Stunden schlafen, wir richten uns auf einen gemütlichen Herumstehtag mitten am Atlantik ein, Donnerstag gegen Abend soll dann wieder
brauchbarer Wind kommen, was sind schon zwei Tage gegen die Ewigkeit, der Schwester dieser unendlichen Weite.
Mittwoch vergeht dann wirklich mit herumstehen, wir treiben ca. zehn
Seemeilen Richtung Afrika, also 90 Grad weg von unserem Kurs, macht von der Distanz und dem Winkel noch nicht viel aus, daher nehmen wir es gelassen, zurücktreiben wäre da schon härter zu
verkraften, ringen wir doch um jeden Meter Richtung Ziel. Der Tag ist gemütlich, wir lesen, machen unsere Hausarbeit, kochen und essen gut, machen Scherze über unsere Situation und rechnen
heimlich doch wann mit einer Ankunft da oder dort zu rechnen ist. Alles natürlich unter der Voraussetzung dass wir so mit drei Knoten weiterkommen, das ist bei den leichten Brisen eine
erreichbare Geschwindigkeit.
Samstag oder Sonntag, optimistisch gerechnet, also noch drei oder vier Nächte, denn die Nachtwachen bringen einem schon etwas aus
dem Schlafrhythmus, auch wenn sie bei den Bedingungen nicht anstrengend sind.
Donnerstagfrüh, die Nacht gab es doch etwas Wind, gar nicht so wenig, wir können
mit dem Gennaker fast vier Knoten segeln, also mehr als erwartet von diesen umlaufenden Winden, wie sie genannt werden und uns schon wie eine Drohung vorkommen. Umlaufend bedeutet, man weiß nicht
von wo Wind kommt, ob er weht und wie lange, das einzige was man weiß ist, dass er schwach sein wird, was uns ja prinzipiell nicht stört, wenn, und dass ist das nächste Problem, die Welle dazu
passt. Jetzt gerade haben wir Glück und hoffen, dass es eine Zeit anhält, ankommen ist doch ein erstrebenswertes Ziel und egal wie lange es noch dauert, ist es uns nicht. Soviel Jogi, so relaxt
sind wir doch noch nicht.
Donnerstag, die Sonne bereitet sich zum Untergehen vor, Frachtschiffe kreuzen immer wieder unsern Kurs und seit Vormittag sehen wir die Silhouette von La Graciosa und Lanzarote, bei beständigem Nordostwind und über vier Knoten Fahrt. Damit ist die Entscheidung leicht, kein Zwischenstopp, wir segeln durch bis Las Palmas, jetzt nur noch 95nm, eine 24 Stundenetmal, wenn der Wind bleibt.
Freitagfrüh, wir sind jetzt genau eine Woche unterwegs, unter idealen
Bedingungen wären wir schon angekommen, noch 40nm zeigt unsere Karte, erwartete Ankunftszeit 16 Uhr. Na bitte, nicht nur wir, auch die Technik bereitet sich auf den Landfall vor und dann die
nächste Prüfung, Wind aus, gar keiner, glatte See, diesig, alle Inseln wieder verschwunden, schaukeln auf weiter See, das Wissen, dass wir so nah dran sind macht uns das Herumstehen nicht
leichter und der umlaufende Windhauch kommt, so scheint es von Süd, also gegen uns, uns bleibt auch nichts erspart.
Trotzdem sind wir guter Laune, denn unsere
erste Atlantiküberfahrt war angenehm, man hat Zeit allen möglichen Gedanken nachzuhängen, zum Beispiel was ich so alles in dieser Woche früher getan hab, was meine KollegInnen die Woche so alles
erledigten, welche schwerwiegenden Entscheidungen in der zwischen Zeit gefallen sind, hier ist alles weit weg, Alltag und Politik, das ist einer der Reize, die bei aller Anstrengung und
Herausforderung das Reisen unter Segel so schön macht, einmal nicht mitten drin sein in Chaos, Alltag und Verantwortung. Zeit, Tag und Nacht einmal anders zu erleben und zu tun ist am Schiff
immer etwas.
Gerade zum Sonnenuntergang erreichen wir Las Palmas, wie immer ziehen sich die letzten Meilen und so eine Hafeneinfahrt, nur grad mal da vor und ums Eck braucht schon noch eine Stunde. Die Skyline der Stadt und der Ankerplatz sind gerade noch zu sehen, dann bricht die Nacht herein, wir stehen gut und schlafen tief. Samstag können wir uns in die Marina verlegen, mit den Rädern lassen sich alle Besorgungen erledigen und die Stadt besser besichtigen.
Die Begeisterung von der Weite des Meeres, welche wir die letzten Tagen so intensiv erleben durften, klingt noch nach, das kann uns eine Großstadt mit Lärm und allem was dazu gehört nicht gleich nehmen. Etwas landkrank streifen wir durch die Stadt und wir können es noch kaum glauben, Europa liegt hinter uns, wir sind auf dem Weg in die Karibik.