Winter in Österreich

 

Wieder daheim, in Wien Schwechat gelandet, nach zwei Tagen Athen zumindest nicht mehr der volle Schock. Der Lärm, das Treiben, die vielen Reize, die man verarbeiten muss sind gewöhnungsbedürftig und ermüden. In den fünf Monaten hat sich ja zum Glück nicht all zu viel verändert, die U-Bahnen sind gut angeschrieben, die Uhr seit einigen Tagen wieder am Handgelenk und die Minuten, die es braucht bis die nächste U- Bahn kommt, stehen an der Anzeigetafel. Interessant wie rasch man sich wieder in Zeitkorsetts einfindet, wie normal, vertraut daheim alles wieder ist. Doch eines haben wir mitgebracht und wollen wir uns erhalten. sica sica - alles schön gemütlich, nicht hetzen, was heute nicht geht, geht morgen oder ein anderes mal. Es ist schön Eltern und Geschwister, FreundInnen, KollegInnen und viele Bekannte wieder zu sehen, so zieht es uns nach Wien, Graz, Scheibbs und nach St. Pölten und weil wir langsamer und viele unserer Lieben ziemlich ausgebucht sind, ist es oft gar nicht so leicht Termine zu finden. Ich bin rasch ganz gut in Scheibbs angekommen, hab wieder im Spital und auf der Rettung, am NAW meine Dienste, nur wenig, so ca 20 Wochenstunden. Da bleibt noch genug Zeit, gemütlich beisammen zu sitzen, Sport zu treiben und mit all den Erledigungen zu beginnen, weswegen wir auch noch mal über den Winter in Österreich sein wollten.

Erschreckend, noch haben wir nicht viel von unserer Liste erledigt und der November ist schon um, schnell werden vier Monate zu einer kurzen Zeit und es schleicht sich so ein Gefühl von "tu weiter, hoffentlich geht sich das alles aus" von hinten ein. Fühlt sich auch irgendwie bekannt an, so ein dezenter vorwurfsvoller Druck, Gedanken die einem so einschießen und erinnern, dass wir hier nicht zum Faulenzen sind, Reisen ist nicht nur Urlaub, zu Hause sein noch weniger, zu mindestens heuer im Winter noch nicht. Jede Woche neue Herausforderungen, jetzt, wo wir unsere bisherigen zu Hause endgültig übergeben und vermieten, müssen wir einen Wohnungsplan, ein Inserat entwerfen, hoffen, dass sich ein Mieter findet, zusammenpacken, alles durchschauen und in Schachteln schlichten. Nicht zu früh denn sonst sitzen wir einen Monat in der leeren Wohnung, nicht zu spät, sonst haben wir Übersiedlungstress, denn das Wenige was aufgehoben wird, kommt in einen Abstellraum in Wien, auch der muss noch saniert und ausgemalt werden. Fad wird uns nicht. Immer wieder werde ich gefragt wie gut ich mich wieder eingelebt hab, denn der Alltag in der Arbeit ist schon wieder Normalität. Und es ist wirklich wie früher, ich arbeite gerne, freu mich das alles gut läuft, jetzt besonders, dass es auch gut vorangeht wenn ich nicht dahinter bin und nur meine Tagesarbeit verrichte. Keine großen Projekte, keine Vorhaben die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Und wenn ich Anfragen bekomme für Vorträge oder Betreuungen ist es toll diese an erfahrene KollegInnen abgeben zu können. Diese Normalität mit weniger zeitlicher Einengung und weniger Dauerverantwortung ist sehr angenehm, wahrscheinlich gemütlicher zu leben als die Reise die wir vor uns haben. Die vielen Unbekannten, die langen Überstellungstrecken in denen wir ganz auf uns gestellt sind und hoffen von Sturm und gefährlichen Situationen verschont zu bleiben, sind schon aufregend und machen einen nachdenklich. Es ist eben nicht Routine, auch wenn prinzipiell bekannt, doch neu und ob alles so läuft wie wir uns das vorstellen, ob wir es als toll, schön, würden wir wieder machen einordnen, können wir erst nachher sagen. Wir wollen es wagen, wir wollen das Abenteuer starten, wir sind neugierig und freuen uns auf die Herausforderung und auf unser gemeinsames Leben.

Die Abwechslung zwischen der Welt auf Reisen und der Welt in der Arbeit, zu Hause ist die größte Freiheit die wir haben, nicht im Einen oder Anderen festgenagelt zu sein, eingespannt, fremdbestimmt oder auch sich selbst verpflichtet sich was zu beweisen. Für viele sind wir zu langsam unterwegs, zu wenig spektakulär, aber für uns ist genau das die große Herausforderung, denn auf Vorgaben erfüllen sind wir alle konditioniert. Leben leben, entwickeln lassen, nehmen wie es kommt und gestalten was gerade passt, wenig Pläne, keine Angst Ziele nicht zu erreichen, Vorgaben nicht zu erfüllen, dass ist die eigentliche Änderung, die Herausforderung. Und so bleibt es spannend, wie es weitergeht, wohin es uns treibt, welche Mischung sich in den nächsten Jahren ergeben wird. Im März geht's wieder los, bis dahin ist noch viel zu tun. 

Im Jänner ist es dann so weit, der Flugtermin wird fixiert, brauchen wir eine Stornoversicherung? 
Wir entscheiden uns für Nein, denn wir fliegen sicher und es ist ein One Way Flug. Jetzt gibt es ein Datum, einen Fixpunkt an dem alles in Österreich erledigt sein muss, der Wechsel zu unserem Zuhause am Boot stattfindet. Und ab diesem Zeitpunkt geht es wirklich rasch, man hat das Gefühl die Zeit legt einen Zahn zu, die Tage und Wochen verfliegen, die Listen was alles noch erledigt gehört, aber auch die Wintersporttermine, vereinbarte Besuche und vieles mehr füllen die Wochen und Wochenenden. Ende Februar ist dann auch mein letzter Dienst. Der Abschied von Kolleginnen, Kollegen und von langjährigen Patientinnen ist sehr emotional, es war eine tolle Zeit und das Schönste ist, gemeinsam gute Arbeit leisten zu können und im Team gut aufgehoben zu sein. Man spürt die gegenseitige Unterstützung, auch wenn in Zeiten des Umbruchs viel Unruhe und manchmal auch Unzufriedenheit spürbar ist. Abschied macht auch dankbar, man schaut viel offener und versöhnlicher auf die Dinge des Alltags und nicht deswegen, weil man es bald nicht mehr erleben muss, sondern weil man spürt was einem auch abgeht, was man verlässt. 

Die letzten zwei Wochen sind durchgeplant, noch eine Woche Scheibbs, die Wohnung übergeben, zum Glück hat sich ein sehr netter Mieter gefunden. Die letzten Fahrten mit voll bepackten Auto nach Wien. Bis auf zwei Regale und ein paar weitere Dinge ist alles gut weggestaut, aufgehoben für einen Haushalt, den wir nach der Reise wieder aktivieren werden. Den Rest der Zeit leben wir schon aus der Tasche. 
Das Reisegepäck, ist schon in Wien zusammengestellt, ein Paket mit Bootsersatzteilen schicken wir voraus. Dieses Paket muss sorgfältig gepackt und gewogen sein, Packmaße und ein Gewicht von dreißig Kilo dürfen nicht überschritten werden, in der Post in Puntigam verschwindet das riesen Ding dann problemlos  von der Waage. In einem letzten Anflug von Vorahnung schreiben wir noch Roberts Telefonnummer zur Absenderadresse und vier Tage später kommt dann früh morgens ein Anruf aus Schwechat, dass sie unser Paket nicht mit dem Flugzeug transportieren wollen. Zum Glück haben sie uns problemlos erreicht. Wir brauchen genaue Papiere für die Tauchflasche, den Lack und all die Dinge, die im Paket drin sind. Donnerstagvormittag werden dann alle Hebel in Bewegung gesetzt damit der Weitertransport unserer Fracht nach Athen möglich wird und dann hoffen wir, dass wir unser Paket so um den 20.3. in unserer Marina selbst entgegen nehmen können. Erst dann können wir uns wirklich entspannen, oder uns mit den nächsten Aufregungen befassen. 
Für die Abreise sollte jetzt alles passen, ein gutes Gefühl alles im Plan und trotzdem eine gewisse Unruhe, die sich wahrscheinlich erst legt wenn man im Flugzeug sitzt. Überhaupt ist es interessant wie nah und selbstverständlich einem alles Neue ist und wie fern, fremd und mulmig es dann wieder wird. Es wechselt, Freude, Abschiedsgefühle, Unruhe, Sorge, Bedenken. Irgendwie möchte ich bis zuletzt am Alltag, an Gewohntem festhalten. Dazu gehört es FreundInnen zu treffen, in Scheibbs zu sein und mein Karatetraining. Mit jedem letzten Termin, jedem letzten Treffen steigert sich das Abschiedsgefühl. Donnerstag ist es dann so weit, mit einem Zahnarzttermin und letzten Treffen verabschiede ich mich von Scheibbs, traurig fahre ich nach Graz, auch dort warten noch Verabschiedungstreffen. Und so geht es dann bis Sonntag weiter, Abschied über viele Tage, von allen Lieben, müde mit gedrückter Stimmung packen wir am Sonntag alles in unsere zwei Gepäckstücke, die jeweils genau 23 Kilo haben sollten. Eine Kofferwaage hilft genau jene Dinge wieder rauszunehmen die zu viel sind und Leichtes hinzuzugeben um das Volumen auszunutzen. Damit müssen einige schwere Dinge ins Handgepäck, zwei Tagesrucksäcke, die wenigstens gut zu tragen sind.

Zum Glück fährt uns Gundi am Montag in der Früh mit dem Auto zum Flughafen, das Gepäck mit der U-Bahn zu transportieren wäre nicht sehr leicht gewesen. Noch einmal kurz verabschieden am Flughafen, die Zeit drängt, die Wege zum Boarding sind weit und wir sind schon spät dran. Ein Rucksack wird ganz entleert, die eBooks geben am Scan verdächtige Signale und werden mit einem speziellen Vergrößerungsglas begutachtet. Dann wird alles durchgelassen, blöd nur, dass jetzt nicht mehr alles in den Rucksack passt und wir mit zusätzlichen Dingen in der Hand zum Flugzeug eilen müssen. 

Vielleicht ist es gar nicht so schlecht die letzten Wege unter Zeitdruck zu absolvieren, man hat dann kaum Zeit für Gefühle, die letzten Tage waren sehr intensiv, kein Umdrehen, kein Nachweinen. Erschöpfung macht sich breit, der Flug ist kurz und schon wartet Athen.