Transatlantik
Mittwoch, 16.12.
Der Wind hat bereits deutlich zugelegt, der Ankerplatz vor Faja da Agua auf Brava wird zunehmend unruhiger, es ist bewölkt, da passt es ja sehr gut, dass wir heute weg müssen. Wir lassen uns trotzdem Zeit um am Vormittag noch das Schiff für die lange Strecke klar zu machen. Das Dingi gehört fest an Deck verzurrt und wird auch wieder mit der schon etwas zerrissenen Plane abgedeckt, die Fender werden geputzt und unter Deck verstaut, wieder Dokumente und das Notwendigste in wasserdichte Säcke gepackt und die letzten Mails gecheckt. Einmal News aus dem Internet gehen sich auch noch aus, da wir ja mit Dani vereinbart haben, dass er uns noch Fisch vorbei bringt. Kurz vor zwölf dann die Nachricht, heute gibt es leider keinen Fisch für uns, dann nehmen wir halt um die restlichen Escudos noch einen Punsch, verabschieden uns und sind dahin.
Irgendwie sind wir erleichtert jetzt einfach nur noch segeln zu müssen, Kurs 270 Grad oder was gut zur Segelstellung und Welle passt und sich auf den neuen Alltag einschwingen. Ein Manöverschluck und einen für Neptun, falls man ihn für guten Wind bestechen kann, Segel setzen, sitzen und genießen. Die Sonne kommt auch noch hervor, Brava verschwindet erstaunlich schnell hinter uns und vor uns ist ja bekanntlich lange nichts zu sehen. Wir haben bei unseren kurzen Strecken Berechnungen der wahrscheinlichen Ankunft schon aufgegeben, wäre jetzt völlig unsinnig, in zwei Wochen oder mehr kann von viel bis gar kein Wind alles sein, vielleicht stehen wir ja auch wieder mal mitten am Wasser herum, also sind wir auch von dieser Last befreit. Da man ja auf der Karte und im Positionsreport immer wieder, also genaugenommen jeden Mittag einen Eintrag macht, bleibt einem der Fortschritt der Reise nicht verborgen und am Plotter, der wegen dem AIS ständig mitläuft, sieht man Kurs und Geschwindigkeit, wir starten mal mit fünf Knoten und mehr. Für den perfekten ersten Tag wäre ein Fisch zum Abendessen geplant gewesen, da wir keinen kaufen konnten, muss uns unser eigenes Anglerglück retten. Tut es auch, wir haben eine, gar nicht so kleine Dorade an der Angel, ziehen sie ran, hieven sie auf die Badeplattform und bevor wir sie noch fixieren können ist sie mit einem kräftigen Schlag los von der Angel und futsch, zurück im Wasser. Fassungslos starren wir ihr nach, das war unser Abendessen, einige weitere Bisse, aber kein Fisch, den wir bis in die Pfanne bringen konnten. Linsendal mit Reis ist zwar gut, die Enttäuschung bleibt und der Anblick des schönen gelbgrünblau schimmernden Fisches hat sich eingebrannt.
Donnerstag, 17.12.
Die erste Nacht geht es zügig voran, wir fahren wie auf Schienen, teilen uns die Nachtwachen und finden ganz gut Schlaf. In der Früh wieder rein mit den Angeln, leider schwimmt so viel Algenzeug im Wasser herum, was sich bevorzugt um die Angel wickelt und so jeden Biss blockiert, dass unser neues Hobby, Angel einholen, vom Seetang befreien und wieder ausbringen ist. Was tut man nicht alles um doch noch zu einem Fisch zu kommen. Es ist sonnig und warm, wir ändern die Segelstellung auf Butterfly, das Großsegel im zweiten Reff auf Backbord und die Fock ausgebaumt Steuerbord und versuchen mit allen Tricks die Windsteueranlage wieder einzurichten. Bisher ohne Erfolg, egal wie wir sie einstellen, es dauert nicht lange und wir laufen aus dem Ruder, also händisch korrigieren, was vorerst keine Erleichterung ist. Trotz der vielen Arbeit genießen wir die bisher angenehme Fahrt und sind guter Laune. Wale- Watching haben wir auch gebucht, unsere erste Walsichtung, ganz nahe beim Boot und dann ziehen sie langsam ab, lange sieht man sie noch Wasser ausblasen, welch Erlebnis.
Nachmittags rasten wir dann ein wenig um für die nächsten Nachtwachen fit zu sein, ein Auge, zumindest alle zwanzig Minuten den Horizont nach Schiffen, Treibgut oder Bojen absuchend. Was die Bojen betrifft haben wir uns schlauerweise vorbereitet, hab ich mir als „Bojenfänger“ ja bereits einen Namen gemacht. Es gibt nämlich einen ganzen Haufen im Meer verteilt die Wetterdaten senden. Wie die, im bis zu 4000m tiefen Ozean verankert sind, ist uns ein Rätsel, sie sind 3 Meter im Durchmesser mit Gummirand, der einem vorbeileiten sollte, falls man sie rammt, was wir aber vermeiden wollen. Robert hat die Positionen aller, auf unserer Route liegenden, aus der Internetseite herausgeschrieben und ich hab sie in die Karte eingetragen, so können wir, wenn wir uns einer nähern, gezielter Ausschau halten. Bisher sind wir alleine unterwegs, am Funk bekommt Robert Kontakt mit Michel von der Galaad, der sich besorgt erkundigt, wie es uns mit der Polizei gegangen ist, sie haben ja fluchtartig die Bucht verlassen um keinen Ärger zu bekommen. Die Funkverbindung ist auf so kurze Distanz, sie sind ca. 100sm vor uns, nicht besonders gut, wir schreiben ihm ein Mail über die Kurzwelle.
Und dann das Highlight des Tages, wir sitzen beim Nachtmahl, Minestrone, die Backbordangel zuckt, eine Schwanzflosse peitscht das Wasser, ein Fisch! Ich stürze zur Angel und beginne sie einzuholen, Robert bereitet die Gaff vor. Die Dorade wehrt sich beachtlich, es kostet mich ganz schön Kraft sie ran zuziehen. Dann geht alles schnell, Robert rammt ihr den Haken in den Kopf und hebt sie an Bord, ganz rein, sonst kommt sie uns womöglich wieder aus. Wir geben ein gut eingespieltes Team ab, so als hätten wir das schon oft gemacht, ich verpasse ihr die vorbereitete Menge Alkohol um sie zu betäuben und reiche Robert das Messer. Später hol ich die Waage und den Zentimeter, ein Meter zehn lang und 6,7kg schwer, unser größter Fang, wir können es noch gar nicht fassen, sind voll Adrenalin, die Suppe kalt, das Schiff blutversaut. Die nächsten zwei Stunden vergehen mit filetieren, einkochen und einsalzen, der Fisch reicht für mehrere Essen. Und Reinigung des Schiffes solang wir noch was sehen, es wird rasch dunkel, diesmal sternenklare Nacht mit Sichelmond, der erfreulicherweise relativ hell leuchtet.
Freitag 18.12.
Die meiste Zeit des Tages eher wenig Wind, wir bringen so um die vier Knoten Fahrt zusammen, ausreichend um bei der Segelstellung zu bleiben, nur kurz überlegen wir ob wir den Gennaker rausholen, verwerfen es dann aber. Der Tag gehört wieder der Justierung der Windsteueranlage, Robert studiert alle Beschreibungen die wir an Bord haben und schraubt so ziemlich an allen Teilen herum die zusammen, gut abgestimmt, die Funktion beeinflussen. Blöderweise müssen wir sie im Hafen, wenn wir mit Heck anlegen, abmontieren um sie nicht zu beschädigen und um die Gangway montieren zu können. Dadurch verstellen wir halt auch die Position des Montagesockels und schon läuft alles aus dem Ruder. Bis zum Abend haben wir einige Fehler ausgemerzt, verlässlich arbeitet sie aber trotzdem noch nicht, bedeutet, dass der Autopilot auch über Nacht steuern muss. Der Tag war zwar sonnig, aber zu wenige Stunden mit gutem Einstrahlwinkel zur Solaranlage um das Energiedefizit, welches der jetzt im Dauereinsatz befindliche Autopilot erzeugt, ausgleichen zu können. Eine Stunde muss der Motor mitlaufen um genug Saft für die Nacht in die Batterien zu bringe, soll nichts Ärgeres passieren. Gegen Abend dann der vorhergesagte Wind bis 20 Knoten, da geht’s dann auch gleich mit bis zu sechs Knoten dahin, das Schiff läuft angenehm die Wellen hinunter, nur selten bekommen wir einen Schlag von der Seite, der uns und alles, was sich bewegen kann mit eine Ruck versetzt. Trotzdem gelingt es uns gut unseren Fisch zu braten und mit Gemüsebeilage und Couscous vom Teller zu verspeisen. Kochen und halbwegs normal essen zu können gehört zum Luxus einer Segelreise, beziehungsweise, wenn die Segelbedingungen dies nicht zulassen erschöpft man und wird misslaunig. Anglerglück und frischer Fisch gehören auch zum Luxus, unsere Freude ist immer noch groß, das Nachtmahl ein Genuss.
Samstag 19.12.
Die Nacht machen wir gute Fahrt, dafür ist es deutlich ruppiger, was die Schlafqualität mindert. Robert ist in der Früh gerädert und legt sich noch mal hin, nicht lange, denn ich, inzwischen fleißig, hab schon wieder eine Dorade an der Angel. Diesmal 90cm lang und 4kg schwer. Robert kommt gerade rechtzeitig mit der Gaff um sie an Bord zu holen, dann wieder betäuben, erstechen, filetieren und Boot putzen. Ich genieße den Vormittag mit Kaffee und lesen, wenn Robert wieder fit ist, kümmern wir uns erneut um die Windsteuerung, wäre schon super, wenn sie bald das Ruder übernehmen könnte. Wieder sehen wir den ganzen Tag kein anderes Schiff, sind alleine auf der glitzernden Fläche unterwegs und, wenn man nicht die Bezugspunkte aus der Karte und einen Kompass der den Kurs weist hätte, wäre man im Nirgendwo. In der Nacht, bis ca. vier Uhr früh, leuchtet der Mond und die Sterne reichen wie in einer Käseglocke bis zum Tellerrand, da passt es besonders gut von Stephen Hawking „Einsteins Traum“ und „Eine kurze Geschichte der Zeit“ zu lesen, das rückt die Dimensionen noch mal ganz anders zurecht und das Universum, in dem wir ein kleiner Punkt sind, bekommt seine unendliche Größe. Und ich hab jetzt ein Bild im Kopf was sich im Universum alles abspielt, der friedliche Sternenhimmel ist eine unendlich weite brodelnde Masse voll Energie, sogar dort, wo er schwarz ist, ist viel los in den schwarzen Löchern. Nirgends hat man weniger Lichtverschmutzung als hier am Ozean, die Nächte sind, abgesehen davon, dass es schon auch anstrengend ist jede Nacht einige Stunden auf zu sein, ein besonderes Erlebnis. Raum und Zeit beginnen wieder zu verschwimmen, sind ja relativ, alles ist in Bewegung die Erde, die Sonne, das Universum und wir. Müssen bereits überlegen wie lange wir schon unterwegs sind und wann stellen wir am besten die Uhren zurück, denn auf der Strecke bis Barbados gewinnen wir drei Stunden. Wir merken es, denn jeden Tag wird es später hell.
Sonntag 20.12.
Wir machen bei 20 Knoten Wind gute Fahrt, leider immer noch ohne Windsteuerung. Wenn wo mal der Wurm drin ist,… Wir sind schon so weit und nehmen die Anlage ab und zerlegen sie, weil wir denken, dass wir das Schneckengetriebe falsch zusammengesetzt haben. War nicht der Fall, aber vielleicht war die Schraube zu fest angezogen, alles muss leicht laufen, jeder Widerstand stört die Balance, so ein sensibles Ding. Wieder geht der Tag damit drauf, Robert ist schon sauer, es nervt ihn, dass er den Fehler noch nicht gefunden hat. Ich hab da weniger Druck, denn ich geh mal nicht davon aus, dass ich die ganze Mechanik, ganz übersichtlich in der Explosionszeichnung dargestellt, durchschaue.
Delfine begleiten uns, hin und wieder sieht man einen Vogel vorbei fliegen, aber keine Zugvögel, die sind auf unseren Nord-Süd Strecken unterwegs gewesen, nicht hier auf Ost-West Kurs, sonst fliegen hier nur die Fische rum. Ständig segelt irgendwo einer oder gleich eine ganze Schar herum, sie schlagen Haken in der Luft, wahrscheinlich wollen sie wie Hasen ihre Verfolger abschütteln. Wenn wir sie an Deck aufschlagen hören, schmeißen wir sie rasch wieder rein, denn sie stinken schon als Lebende, tot noch viel mehr. Einer hatte es besonders eilig, streifte mich und landete beinahe in der Pfanne, Bruchlandung direkt vorm Herd, auch er hat dank unserer raschen Reaktion überlebt. Fliegende Fische essen wir nicht, noch nicht, sie sind in Barbados angeblich eine Spezialität, vielleicht kommen wir ja noch auf den Geschmack. Noch haben wir aber keinen Mangel an gutem Fisch, noch genug da von unseren zwei Doraden und heute Früh zwei 40cm lange Blaubarsche geangelt, fast schon zu viel Anglerglück, hängen jetzt zum Trocknen ab.
Montag 21.12.
Wind und Welle haben über Nacht zugelegt, da schieben jetzt so drei bis vier Meter von hinten oder schräg hinten an, was jeweils bei der Talfahrt das Schiff auf bis zu acht Knoten beschleunigt, bremst sich dann im Tal wieder ab, denn dann muss es sich ja wieder in den Kurs drehen. So im Schnitt kommen wir auf fast sechs Knoten Fahrt, über die fünf Tage, die wir jetzt schon unterwegs sind, erreichen wir genau fünf Knoten im Schnitt, passt gut und soll, laut Wettervorhersage auch so bleiben. Robert funkt jetzt wieder regelmäßig mit Intermar, mal mit besserer, mal mit schlechterer Funkverbindung. Der Funk ist die zweite Dauerspielerei, um den Positionsreport und ein paar Mails wegschicken zu können, braucht es oft mehrere Anläufe, bisher hat es dann schlussendlich doch immer noch geklappt. Mit Michel von der Galaad haben wir auch regelmäßig über Mail Kontakt, wir sind sozusagen über Funk begleitet. Ein Thema, was vor den Überfahrten immer wieder diskutiert wurde und viele Segler sich aus Sicherheitsgründen gewünscht hätten. Wir waren der Meinung, dass es nicht wichtig ist zu wissen wo sich ein anderes Schiff befindet, was man nie sehen wird und auch nicht einholen kann. Und wie sich jetzt zeigt hat er 140 Meilen nordwestlich von uns schon andere Wind- und Wellenverhältnisse, also auch die Informationen sind nicht verwertbar. Vielleicht gibt es aber im Hinterkopf doch etwas Sicherheit, denn im Falle eines Ruderbruches oder eines anderen Notfalles könnte man zu mindestens jemanden, der in etwa einem Tag zur Hilfe kommen könnte erreichen. Sonst ist ja nicht viel los, wir haben noch immer keine großen Schiffe gesehen, nur ein paar am Bildschirm, alle über 10 Meilen weit weg.
Heute ein fauler Tag. In der Früh muss Robert schon wieder wegen einer Dorade auf, das erste Mal höre ich, bitte kein Fisch heute, zu spät, ist schon an der Angel und frischer Fisch geht schon aus, denn alles, was von den letzten Fischen übrig war wurde auf haltbar verarbeitet, können wir dann später essen.
Wir schlafen abwechselnd und werden den ganzen Tag nicht richtig fit, haben wir gestern zu viel Sonne erwischt, oder sind wir doch von den kurzen Nächten und der Schiffsbewegung geschafft. Egal, uns lauft ja nichts davon und anstehende Arbeiten können auch mal warten, nichts ist momentan so wichtig, dass wir aktiv werden müssten.
Dienstag 22.12.
Die Nächte werden jetzt immer heller, Halbmond, der, solange er am Himmel steht sogar die Sterne verblassen lässt. Erst gegen Früh, ist es zwei Stunden fast völlig dunkel, dann haben die Sterne, Milchstraße und Sternschnuppen ihren Auftritt. Rechtzeitig zum Sonnenaufgang, der ja eher unspektakulär ist, ziehen Wolken auf, zu wenig zum Regnen, nur einzelne schwarze Wolkenberge, die sich rasch wieder auflösen. Heute Nacht der erste Durchhänger, in der Freiwache schlecht geschlafen und bei der Wache völlig verspannt und erschlagen. Die ständige Bewegung macht sich bemerkbar, gerade wenn man entspannt liegen möchte stört es, wenn man ständig hin und her gestoßen wird, ich steh mit Kreuzweh auf, welches erst durch die Bewegung am Tag wieder besser wird. Psychisch erholen wir uns auch erst am Nachmittag, da gelingt es uns endlich den Windpilot richtig zu balancieren, Gott sei Dank. Er arbeitet wieder, noch ein bisschen wie ein Kind das gerade laufen lernt, man ist ständig in der Nähe um gleich mal eingreifen zu können, bevor es stürzt, oder er aus dem Ruder läuft. Trotzdem, wir haben unser Energieproblem gelöst, auch rascher als gedacht, denn schon am Nachmittag sind die Batterien wieder voll, was rein rechnerisch, meint Robert, gar nicht geht. Also waren sie gar nicht so leer? Wieder so ein technisches Rätsel, ich möchte kein Techniker sein und für all die Probleme und Fragen Lösungen parat haben müssen, scheint komplizierter wie Medizin und Psychologie zu sein. Heute war Fischverbot, weil noch genug frischer Fisch da, wir essen zum Frühstück auch schon das erste Stück geböckelten Fisch mit Sojasoße und Wasabi, Ernährung a la „japanische Wochen“, wollen schließlich wissen, ob diese Art der Konservierung sinnvoll ist. Der luftgetrocknete Fisch ist auch binnen einem Tag auf Kinderschuhsohlengröße zusammen geschrumpelt und zäh wie Leder. Da bin ich mir nicht sicher ob wir den mit Einweichen wieder bekömmlich bekommen, wird demnächst versucht werden. So vergeht auch dieser Tag, wir kommen 140 Meilen weiter und einen Tag näher an Weihnachten.
Mittwoch 23.12.
Man könnte glauben das Leben an Bord ist ziemlich gleichförmig, eher ereignislos und fad, was zu einem gewissen Grad auch stimmt. Ist ja einer der Reize dieser Langstreckenfahrten, die Gleichförmigkeit, die Weite, der Horizont und Zeit, die fließt so wie die Welle sich stetig bewegt ohne ersichtliches Ziel, rundum nur Wasser. Als Segler ist man begeistert, wenn man Segel trimmen und steuern kann, man das Schiff schnell bewegt, die Kraft von Wind und Welle spürt, ein Teil davon ist. Mir gefällt das sehr, nur unterwegs ist man froh, die Zeit für den Alltag, die Hände für den Haushalt frei zu haben und daneben noch Zeit zum Rumsitzen, Lesen und Genießen zu haben. Unser Windpilot ist rasch vom Kleinkind zum Teenager geworden, er übernimmt jetzt auch kritische Situationen und steuert verlässlich. So wird man, was das Segeln betrifft, fast Gast am eigenen Schiff. Man muss natürlich wachsam sein und seine Helferlein betreuen, aber dann läuft es wie auf Schienen. Heute sind wir in der Früh gleich mal von einem Squall überrascht worden, eine rasch ziehende lokale Regenwolke, die außer Regen auch starken Wind bringt, bis zu 40 Knoten. Windpilot hat sich gut in Welle und Wind gelegt, ordentlich gesteuert, draußen hat der Regen alles gewaschen und wir haben uns das alles aus dem Trockenen angeschaut und am Radar beobachtet. Wieder so ein technisches Wunderding, man sieht die Gewitterwolken wirklich schön farbig am Bildschirm vorbeiziehen und dann auch gleich die nächste Front heranwachsen. Bis am Nachmittag zogen widerholt Squalls über uns drüber, haben uns, als angenehmer Nebeneffekt, ordentlich beschleunigt, 135nm. Am Nachmittag dann Sonne, warm, sanfter Wind, wunderschön, wir genießen ihn mit Musik, die uns über den Ozean trägt.
Donnerstag 24.12.
Welch besonderer Tag, Kinder fiebern drauf hin, für uns ist es ein fast normaler Tag, hier draußen sowieso, weil eigentlich gar nichts anders ist, beziehungsweise sein soll. Wir beginnen ihn, reichlich spät, denn es wird erst nach neun Uhr hell, mit einem Fischfrühstück mit frisch gebackenem Brot, es ist sonnig bei 29 Grad. Der Entschluss, schnell mal ein paar Liter Wasser zu erzeugen (entsalzen), entpuppt sich als fatale Entscheidung, das nächste technische Ding das aufmuckt und nicht so tut wie es soll. Also wird das Schiff kurzerhand wieder zur Baustelle, Werkzeug raus, der Boden tut sich auf und Robert testet und kontrolliert alle Leitungen und was da sonst noch fehlerhaft sein kann. Ich assistiere, hole dies und das, schlichte weg, tunke Wasser auf, schalte testweise ein und aus, sind insgesamt sicher zwei Stunden beschäftigt. Dazwischen wieder das lustige Funkspiel, welches bis zum Abend braucht bis der Positionsbericht und ein paar Mails endlich draußen sind. Am Nachmittag verlässt uns dann auch noch der Wind, genervt, denn eigentlich wollten wir ja einen ruhigen Feiertag verbringen, überlegen wir, wie wir am besten weiter kommen. Schlussendlich fahren wir drei Stunden mit dem Gennaker, dann holt von hinten wieder ein Squall auf, vor dem wir, gerade noch rechtzeitig, auf unsere Passatbesegelung wechseln können. Der unbeständige Wind quält uns noch in die Nacht hinein, langsam voran zu kommen wäre ja nicht so schlimm, aber mit geringer Geschwindigkeit beginnt das Schiff in der Welle herum zu tanzen und die Segel schlagen beherzt jedes Mal hin und zurück. Über Nacht ist der Gennaker Tabu, denn wenn wir den nicht rechtzeitig runter bekommen, ist er sicher zerfetzt, wäre zu schade um das tolle Segel.
Unser feierliches Nachtmahl findet dann auch bei rollender Schiffsbewegung in den kurzen Pausen, die wir nicht gerade beschäftigt sind statt, entbehrt jeder Gemütlichkeit. Die versprochenen weihnachtlichen Anrufe bekommen wir zum Glück noch hin, was an so einem Tag überhaupt nicht selbstverständlich ist. Auch das Satellitentelefon kann sich beim Satelliten suchen zieren oder die Verbindung ständig abbrechen, weil Satellit verloren.
In ein paar Stunden ist Weihnachten vorbei, ein entbehrlicher Tag, was das Vorankommen betrifft. Das Einzige, was uns noch weihnachtlich stimmt und uns den Tag ruhig ausklingen lässt, sind Weihnachtslieder vom MP3 Player. Sisters in Voice, „Mostviertler“ Sängerinnen, deren Abschiedskonzert ich live erleben durfte und die jedes Jahr im Spital am 24.12. für die Patienten gesungen haben, singen jetzt, klar und laut über den Atlantik, bei ruhiger See, die Welle hat inzwischen etwas abgenommen, und fast Vollmond, eine besondere Stimmung.
Morgen wird es hoffentlich wieder besser laufen. Unsere „Gleichenfeier“ wäre heute bei der Unruhe beinahe untergegangen, wir haben Halbestrecke, also 1000 Meilen hinter und 1000 Meilen vor uns. Halbzeit wahrscheinlich nicht, wenn der Wind noch ein paar Tage so daher kommt. Trotzdem sind wir froh, dass es bisher so gut gelaufen ist und wir, in 8-10 Tagen unser Ziel erreichen können.
Freitag, 25.12.
Der schwache Wind macht uns nach wie vor zu schaffen, noch einmal probieren wir den Gennaker, wieder nur kurz, denn ein Squall rauscht heran. Wir setzen unsere Passatsegel jetzt gleich andersherum, also das Groß an Steuerbord und die Fock ausgebaumt backbord, wir müssen wieder mehr Richtung Südwesten, sonst kommen wir nach Guadeloupe und nicht nach Barbados. Squall bringt Regen, kann ich gleich zum Haare waschen nutzen, morgendliches Fischen vier Bernsteinmakrelen, Funken funktioniert am Vormittag, etwas Schlaf am Nachmittag und schon ist wieder ein Tag um.
Samstag 26.12., Sonntag 27.12.
Endlich ist wieder stabiler Passat bis 20 Knoten, meist eher so um die 16, ausreichend um gut voran zu kommen. Die Welle baut sich langsam wieder auf, Samstag war es daher noch deutlich gemütlicher als Sonntag, aber wir haben uns jetzt wieder gut in den Rhythmus eingefunden, schlafen relativ viel, abwechselnd natürlich. Nur untertags, wenn es gerade ruhig läuft, gönnen wir uns eine gemeinsame Rast. Sonst vergeht die Zeit mit Lesen und, wenn wieder frischer Fisch gebraucht wird mit Fischen. Es ist wirklich ein neues Gefühl jedes Mal, wenn wir die Angeln reinhängen, in nicht allzu langer Zeit auch was dran zu haben. Das ständige Gestrüpp runterglauben gehört natürlich dazu, sonst schleppen wir faustgroße Ballen hinter uns her in denen kein Köder mehr zu sehen ist und ein Biss, falls jemand Lust auf Gemüse hätte, sicher nicht am Haken hängen bliebe. Aber mit meiner Aufmerksamkeit für die Angeln und dem fleißigen reinholen und säubern hatten wir schon wieder drei Doraden dran, die letzte beim Einholen. Ich hab mehrere Doraden in den Wellen meiner Angel nachjagen gesehen und mehrere Bisse gespürt, eine auch weit ran geholt, schlussendlich hat sie sich aber doch befreien können. Jetzt sind wir nicht mehr so traurig und enttäuscht wie bei unserem ersten abgekommenen Biss, wir vergönnen ihr die Freiheit und hoffen, dass sie durch den Haken nicht allzu sehr verletzt wurde. Der Anblick der Jagd war trotzdem einmalig und toll, auf dieser Überfahrt sind wir intensiver mit dem Meer verbunden als bisher.
Sonst gibt es vom Weihnachtswochenende nur Positives zu berichten. Mit dem Satellitentelefon konnten wir auch in diesen Tagen unsere Verwandten erreichen, Funk hat erstaunlich gut funktioniert und, man glaubt es kaum, der Wassermacher hat auch seine Arbeit wieder aufgenommen. War scheinbar kein technischer Fehler, sondern nur ungünstige Schiffsbewegung und Welle am 24.12., sodass er neben Wasser auch Luft angesaugt hat und damit ständig ausfiel. Man muss es halt auch „da warten“ können, lernt man hier auf See und das Meer sagt, was, wann und wie geht, wir versuchen es zu erspüren.
Weil wir mit dem wenigen Wind zu Weihnachten zu weit Richtung Norden gekommen sind, segeln wir jetzt so 255 Grad, etwas zu südlich, aber derzeit geht der genaue Kurs auf Barbados nicht, ist aber nicht so schlimm, denn bei den noch fast 700 Meilen die wir noch vor uns haben, macht ein Kursfehler von 10 Grad noch nicht viel aus. Hauptsache wir segeln sicher und stabil halbwegs auf unser Ziel zu.
Montag 28.12., Dienstag 29.12.
Unsere regelmäßigen Kontakte mit Intermar um den aktuellen Wetterbericht zu bekommen und unsere Position zu melden funktionieren zumindest einmal am Tag ganz gut. Gute Nachricht, die Wetterkarten sagen uns beständigen Passat bis Silvester voraus, also sollte es so ähnlich weitergehen wie bisher, besonders ist nicht mit Störungen und Starkwind zu rechnen. So gesehen haben wir eine perfekte Wettersituation für unsere Überfahrt erwischt. Wenn wir an die Anspannung vor der Überfahrt denken, auch die Angst, dass wir mit dem Wetter und Materialproblemen kämpfen müssen, oder an was man sonst noch alles angstvoll denken kann, ist es jetzt eigentlich ganz entspannt. Fast wie bei Prüfungen, vorher der Druck, dann irgendwann der Punkt, dass man es endlich hinter sich bringen möchte und dann leichte Fragen, war ja gar nicht so schlimm.
Trotzdem, eine gute Vorbereitung und immer aufmerksam sein gehören neben dem nötigen Glück dazu. Die Tage und Nächte vergehen jetzt erstaunlich rasch, ist es die Bergabfahrt Richtung Ziel? Der Mond war inzwischen voll und nimmt jetzt wieder ab, die Nächte beginnen jetzt dunkel mit Sternenhimmel und enden mit Sonnenaufgang im Osten und hoch stehendem Mond im Westen. Die lokale Zeit hat sich auch schon um vier Stunden nach der UTC verschoben, wir haben mittags gerade mal Acht in der Früh. Das bringt uns ein wenig durcheinander, denn gleich nachdem es bei uns hell wird ist die Funkrunde, die Robert jetzt rasch verschlafe könnte, und unsere Mittagsposition, an der wir unser Vorankommen der letzten 24 Stunden ablesen, ist auch gleich mal um neun. Wie ich die letzten Tage studiert habe kreisen ja Sonne, Mond und Erde elliptisch um einander und um die eigenen Achsen natürlich auch. Daraus ergeben sich die unterschiedlichen Distanzen und Winkel in denen der Mond zu sehen ist und Tag- und Nachtbeginn verschiebt sich natürlich auch. Lässt sich alles ganz leicht berechnen, wenn man`s kann, oder es bleibt ein Wunder der Natur, das man bestaunt. Die für uns wichtigen Auswirkungen, die Gezeiten lassen sich immer aktuell aus Tabellen ablesen und ob der Mond hell und groß ist oder die Nacht dunkel, würde eine Nachtfahrt nicht wesentlich beeinflussen. Man nimmt es wie es kommt und freut sich wenn es angenehm hell ist.
Untertags läuft alles wie gehabt, erfreulicherweise ohne weitere Baustellen, also einfach nur segeln, sich ums Essen kümmern, lesen, schlafen,… Wir haben immer noch täglich frischen Fisch, sodass wir bisher noch kaum Konserven aufmachen mussten. Wir schippern unsere Vorräte also in die Karibik und werden noch lange davon zehren können. Einmal Segel wieder schiften, also Groß nach Backbord und Fock nach Steuerbord, war eine der herausragenden Leistungen des gestrigen Tages. Jetzt können wir 270°, genau auf unser Ziel zu segeln und tun es auch mit einem ETMAL von 130nm. Bisher noch immer kein Schiff gesehen, die wenigen, die man am AIS Bildschirm sieht sind wie gesagt 10 oder 20Meilen weit weg, wir sehen aber nur ca. 3 Meilen bis zum Horizont, also sechs Meilen im Durchmesser. Soviel zu den Dimensionen, unendlich viel Wasser, genauso viel Platz und insgesamt wenig Verkehr, das Leben spielt sich doch hauptsächlich an Land ab, welch Erkenntnis.
Mittwoch 30.12.
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, oder so ähnlich sagt man und tatsächlich hatten wir eine unserer anstrengendsten Nächte. Abends nahm die Bewölkung zu und es bildeten sich nach und nach Squalls, die zwar alle an uns vorbei gezogen sind, aber kräftig Wind, über 30 Knoten und verdammt unruhige See gemacht haben. Immer wieder kamen Wellen von schräg hinten und versetzten dem Boot einen Schlag zur Seite, oder sie rollten von hinten unter das Schiff und zogen es mit teilweise über 10 Knoten ins Wellental und raus aus dem Kurs. Der Windpilot, der jetzt wirklich sehr verlässlich steuert, wird damit manchmal überfordert. Zu groß ist der Druck am Ruder und zu weit der Drehwinkel um ihn vor der nächsten Welle wieder rückstellen zu können. Schlafen ist kaum möglich, nicht nur wegen der enormen Bewegung, sondern auch wegen des unheimlichen Lärmes den die Wellen erzeugen. Inzwischen ist es unmöglich alles Klappern und Scheppern zu beseitigen, die Aufmerksamkeit gilt allen neuen Geräuschen, ist was gebrochen, lose, muss man was tun? Wir sind abwechselnd wach, steuern teilweise per Hand. Schluss mit den gemütlichen Nächten in denen man verschlafen alle 20 Minuten Ausschau gehalten und dann wieder vor sich hin gedöst hat. Dafür sind wir in den letzten 24 Stunden 147 Meilen weiter gekommen, also um 20 Meilen mehr als sonst und jetzt bei Tag geht es auch so weiter, wenn man die Wellen sieht ist es aber angenehmer. Wieder versuchen wir die tollen Wellen mit Foto und Film einzufangen, das Ergebnis – „schau wie friedlich das Meer um uns herum ausschaut“. Wo sind sie die weißen Kämme, die türkisen Wasserflächen, die Wasserwände, die sich hinter uns aufbauen? Manchmal kann man sie erahnen, aber Fotos scheinen alles platt zu machen und außerdem ist ein gezückter Apparat fast eine Garantie, dass in absehbarer Zeit kein großer Brecher mehr heran rollt. Erst wenn man auf gibt und die Kamera wieder einpackt sind sie wieder da, ein oder zwei große Wellen, die Dritte, für die man die Kamera wieder bereit hätte, ist deutlich kleiner, unspektakulär. Dann wartet man völlig verkrampft sitzend mit gezücktem Apparat, bis... und so weiter.
Diese Segelbedingungen sind faszinierend, aber sehr anstrengend und die Anspannung, dass hoffentlich alles hält, wird automatisch größer. Gestern war mein Glücksgefühl, mitten in meinem Traum zu sein, den Atlantik am eigenen Bug zu bewältigen ganz stark, heute scheint sich Arbeit und Schlafmangel in den Traum zu mischen und ihm Momente des Nachdenkens und Zweifelns zu verpassen. Es überwiegt aber das gute Gefühl und unser Ziel ist jetzt schon 300 Meilen nahe, dieses Jahr wird besonders ausklingen, das ist gewiss.
Gegen Abend schläft der Wind etwas ein, nicht lange und wir verkneifen es uns auch an den Segeln was zu verändern, sitzen es aus, rasch geht’s zum Glück wieder mit den gewohnten 15-20 Knoten weiter.
Donnerstag 31.12.
Auch diese Nacht Wolkenberge um uns herum, die alle irgendwie an uns vorbei kommen, gehört wahrscheinlich auch zum Glück dazu, genauso wie eine glattgebügelte See, oder zumindest nur 1-2 Meter Wellen und diesmal wirklich relativ regelmäßig von hinten. Das merkt man auch gleich am Schiff, fährt deutlich ruhiger und flotter, denn dieses in die Wellen hinein drehen bremst ganz schön. So sausen wir, wenn man 7 Knoten (14kmh) als high Speed bezeichnet, auf Barbados zu. Unsere erste karibische Insel ist deswegen Barbados, weil sie abseits, achtzig Meilen östlich vom Antillenbogen liegt und damit jetzt mit Rückenwind, später nur gegen den Wind erreicht werden kann. Vor jedem Landfall (klingt sehr seemännisch und passt zum Erreichen der Karibik) gehört es dazu sich mal einzulesen und sich über Einreisebedingungen, Häfen und das Land ganz allgemein zu informieren.
Historisch war es auch so, dass Barbados, abseits gelegen nicht von Kolumbus, sondern erst sehr viel später entdeckt und dann von England kolonialisiert wurde. War eine der reichsten Kolonien, wie fast überall hauptsächlich durch Zuckerrohranbau. Barbados ist, zum Unterschied zu vielen anderen Karibikinseln nicht vulkanischen Ursprungs, sondern eine Koralleninsel, umgeben von Riffen und damit auch eher flach und klein. Der höchste Berg ist nur 340 Meter hoch und die Insel 33x22 km, damit sieht man sie auch erst sehr spät hinter dem Horizont auftauchen. Je nach Wetterbedingungen so ca. 40 Meilen, von unserem Schiff, früher, als sie noch Personal mit Fernrohr im Mastkorb sitzen gehabt haben, wahrscheinlich deutlich früher. Trotzdem scheinen sie bevorzugt an dieser Insel vorbeigeschippert zu sein und sie nur mit der „Schweinenavigation“ gefunden zu haben. Ist eine Story aus den schlauen Büchern - wenn sie Barbados vermutet haben, haben sie ein Trüffelschwein ins Wasser geworfen, dieses schwimmt in seiner Angst und durch gute Nase Richtung Land und weist so den Weg. Ob`s stimmt, keine Ahnung, aber wir haben ohnehin kein Schwein dabei, verlassen uns neumodern auf GPS und Karten und zu Silvester, da nähern wir uns ja der Insel, haben sie ja vielleicht extra Feuerwerksbeleuchtung für uns.
Wie bei allen Inseln immer gut von der Küste, hier von den Riffen frei halten, also in ausreichendem Abstand vorbei segeln und dann einen Haken zum Zielhafen schlagen. Auch dazu gibt’s eine historische Begebenheit, die besser dokumentiert ist und sogar ein Museum hat. An der Südküste saß ein gewisser Sam Lord, Plantagenbesitzer mit schönem Anwesen, welches er sich durch Schiffe, die er mit Laternen in den Palmen am Strand, die Hafenbeleuchtung vortäuschten, aufs Riff gelockt und ausgeraubt hat. Warum sind die nicht so wie wir bei Tag in den Hafen rein, fragen wir uns? Wenn man was sieht passiert das hoffentlich nicht.
Freitag 1.1.2016
Jetzt beginnen wir, die letzten Meilen zum Ziel wieder zu rechnen, geht es sich noch vor dem nächsten Sonnenuntergang aus, was machen wir mit einer angefangenen Nacht, beidrehen und warten bis es hell wird? Silvester, wir verbringen die Zeit untertags mit Mail schreiben und Versende-Versuchen, SMS am Satellitentelefon tippen, ein besonderer Spaß, denn die winzigen Tasten bewegen sich widerspenstig mit Welle und Schiffsbewegung. Am Abend dann die Mitternachtstelefonate mit den Eltern und dann Schlafen in der Freiwache. Denn auch diese Nacht müssen wir fit sein um unser Schiff gut durch den Ozean zu bringen. Noch dazu rechnen wir, jetzt nahe an einer Insel am ehesten mit Schiffen, womöglich auch kleine, schlecht beleuchtete ohne AIS, also die, nach denen man Ausschau hält, 2000 Meilen lang, da sollte, so knapp vor dem Ziel nichts mehr schief gehen. Um Mitternacht, lokaler Zeit, lassen wir es uns aber nicht nehmen beide wach zu sein um das neue Jahr zu begrüßen. War ohnehin notwendig, weil eines unserer insgesamt zehn Segelmanöver anstand, dann aber ein kleiner Capo Verden Punsch zum Anstoßen, kleine Mengen in großen Bechern verschüttet man nicht so leicht wie Sekt in Flöten. Dazu Musik, denn besondere Momente sollen auch eine besondere Stimmung bekommen. Mein MP3 Player spielt uns den Donauwalzer, Tradition in neuer Umgebung, Vertrautes am anderen Ende des Ozeans, wunderbar. Danach noch einige andere Musikstücke, die uns passend erscheinen, dann beginnt Robert seine Freiwache und ich segle, also schaue Richtung Horizont ins neue Jahr.
Mit Sonnenaufgang fehlen uns noch 60 Meilen, um neun Uhr erste Umrisse von Barbados, ein blasser etwa handbreit großer Streifen am Horizont. Neues Jahr, frisches Brot, gemütliches Frühstück und Barbados baut sich immer deutlicher vor uns auf. Zwei Baracudas an der Angel, gerade recht für unseren heutigen Grillabend. Gegen Mittag Umrundung der Nordküste, bei 25 Knoten Wind eine rasche Angelegenheit und die letzten fünf Meilen bis zum Zielhafen haben wir alle Hände voll zu tun um Segel zu bergen, Fender und Leinen zu richten und über Funk Kontakt mit dem Hafen zu bekommen. Glücklich, angespannt, erschöpft, zufrieden, von allem etwas, wir haben den Atlantik durchsegelt, sind in der Karibik, ein Traum, jetzt wahr, erreicht, erledigt,…. Irgendwie sind wir durcheinander und müssen uns konzentrieren, jetzt keine Fehler beim Anlegen am Zollsteg, bei, wie könnte es anders sein, starkem Seitenwind u machen. Trotz Feiertag, ist das Einklarieren, Immigration, Hafen- und Gesundheitsbehörde, ein duzend Formulare, ein paar Stempel, rasch erledigt. Die 200 Meter zum Amtsgebäude und zurück sind für heute Landgang genug, wir müssen ohnehin wieder weg vom „Custom-dock“ raus auf die Sandfläche vor Hafen und Strand ankern. Den Tag ruhig ausklingen lassen und relativ früh schlafen, denn es ist, jetzt merken wir es, eine Last und Anspannung von uns abgefallen und wir schlafen gut, in unserer Bugkoje.