Portugal

Zurück in der Lagune von Faro/Olhao bleiben wir diesmal nur kurz gleich hinter der Einfahrt auf der Ankerfläche. Hier bläst der Wind ziemlich heftig die Einfahrt herein, so eine Art Düseneffekt und die Strömung, bei Hoch- und Niedrigwasser ist eindrucksvoll, aber nicht angenehm. Man spürt wie das Schiff an der gespannten Kette zerrt, ein gestürzter Wasserskifahrer klammert sich auch mal verzweifelt an unsere Ankerkette und schöpft ganz schön Wasser. Wir bieten Hilfe an, er wird aber von seinem Motorboot wieder weitergeschleift. Seine weiteren Monoskiversuche dauern nur kurz, er ist vollkommen entkräftet. Sieht nach einem anstrengenden Sport aus.
Eine originelle Art zu fischen kann man von diesem Wachtpostenplatz auch beobachten. Fischer fahren mit ihrem kleinen Boot gegen die Strömung um dann die gesamte Einfahrt mit einer Schleppangel treibend zu fischen. Dann geht's wieder zurück zum Start. Da könnte man einen Schlepplift bauen und sie alle wieder raufziehen, so wie unsere Skilifte und dann könnten Surfer auch gleich mitmischen. Vom Boot aus genießt man nicht nur Hafenkino, bekommt alle Ankerplatz Neuigkeiten mit, man kann, gut platziert auch Laguneneinfahrtsevents buchen.

Wir verlegen uns aber rasch weiter rein in die Lagune, etwas abseits von Culatra, dem Fischerdorf auf der vorgelagerten Insel. Hier ist das große Ankerfeld, wir zählen so an die 50 Yachten und es ist noch viel Platz. Überall Sand, so zwischen zwei und sechs Meter tief, wenn man mit dem nötigen Respektabstand vom Strand steht. Man kann sich natürlich auch näher ran stellen und mit den zwei bis drei Meter Tidenhub trockenfallen. Kurz überlegen wir ob wir das auch probieren sollen, unser Schiff ist ja dafür gebaut, verwerfen aber den Gedanken, denn was machen wir am Sand stehend ohne Wasser, wenn wir es doch als Nutzwasser brauchen. Unser Unterwasserschiff braucht auch noch keine Säuberung, also keine Experimente.
Und so stehen wir da mitten in der Lagune, haben zwei Wochen Zeit uns um alle kleinen Reparaturen und Erweiterungen an Bord zu kümmern und die nähere Umgebung zu erkunden.
Der Kontrast zwischen Bequemlichkeit in einer Marina und an Land mit einem Mietauto unterwegs zu sein, zu kostengünstig zu ankern und sich mit Beiboot und öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen, wird jetzt sehr deutlich. Alles hat seine Vor- und Nachteile, gut es abwechselnd genießen zu können.

Erster Ausflug auf die Insel Culatra, mit dem Beiboot eine überschaubare Strecke in den Fischerhafen, dort gibt es einen kurzen Gästesteg an dem man das Beiboot festmachen kann und rein in den Ort. Culatra ist eines der wenigen noch sehr ursprünglichen Fischerdörfer und wenn man den Recherchen im Internet Glauben schenkt, stehen sie dem Fortschritt und vor allem Einnahmen aus dem Tourismus eher skeptisch gegenüber. Sie wollen lieber unter sich bleiben, fischen und Muscheln züchten. Die ganze Insel hat keine 1000 Einwohner, die sich auf drei Orte verteilen, Culatra ein paar hundert Meter Plattenwege, einen Holzsteg zum Atlantikstrand, eine Schule, eine Bibliothek, eine Krankenstation und ein Sozialzentrum. Zwei kleine Läden und einige Lokale, ein sehr belebtes Café gleich beim Hafen. Rundherum Sand, Straßen gibt es nicht, eine Sandpiste verlässt den Ort Richtung Westen, die Verbindung zu den zwei weiteren Siedlungen auf dieser Insel. Einige uralte Traktoren stehen herum, selten sieht man ein Gefährt im Einsatz. Überall riecht oder stinkt es nach Fisch und Abfällen und da gehören Möwen mit ihrem Geschrei und dem Dreck den sie hinterlassen zum Gesamtbild. Erster Eindruck - nicht gerade einladend, nach einer Woche, ein angenehmer Ort der im Tempo und auch im Kontakt zu uns passt. Wir erledigen unsere Einkäufe, der Fähranleger ist die Tür rüber zum Festland und der Strand unendlich zum spazieren und Muscheln sammeln. Wir werden von den Einheimischen auch unterrichtet wie man die Venusmuscheln aus dem Sand ausbuddelt, bei Ebbe sind viele mit Schaufel und Kübel unterwegs. Unsere erste Muschelernte reicht für zweimal Muschelsuppen, wir probieren unterschiedliche Rezepte, die Variante mit Tomaten und Chili ist perfekt

Bei unserer ersten großen Inselrunde, die Insel ist insgesamt 7x1km, nehmen wir die Sandpiste und quälen uns zur ersten der beiden Siedlungen, Hangares. Auffällig ist ein riesen abgezäuntes militärisches Areal mit großem versperrtem Tor, wir gehen den Zaun entlang und ein paar hundert Meter weiter dann ein offenes Tor und verfallene Häuser, also alles außer Betrieb. Der Ort ist noch verschlafender als Culatra, es gibt nur ein Lokal, angeblich mit vorzüglichen Austern. Da wir uns jetzt schon genug durch tiefen Sand bewegt haben nehmen wir den Strand bis nach Farol, der aktivsten Siedlung auf der Insel. Es ist eine sehr gepflegte Zweithaus und Feriensiedlung, der Unterschied zu Culatra ist krass, das Publikum Badegäste aller Altersklassen,   die Strandabschnitte gepflegt und belebt mit Bars, Restaurants und Kiosken. Wir staunen, als wir  im Supermarkt keine gekühlten Getränke bekommen, muss man im Lokal kaufen, vermittelt uns der junge Mann an der Kasse. Die haben sich das Geschäft gut aufgeteilt, wollen halt an den Badenden gut verdienen.
Da wir regelmäßig in Culatra sind, kommen wir auch mit anderen Seglern ins Gespräch. So erfahren wir zum Beispiel, dass hier, obwohl Naturschutzgebiet, viel und illegal gebaut wird, auch viele Ausländer bauen sich hier Ferienhäuser. Die Regierung möchte 150 wieder abreißen lassen, wie das genau passieren soll kann sich keiner vorstellen.
Interessant ist auch, dass in dem abgesperrten Lagunenarm ebenfalls einige illegale Segelboote stehen, die meisten schon alt und kaputt. Die Eigner sind aus Deutschland, können und wollen nicht weg und haben leider kein ausgeprägtes Umweltbewusstsein, sonst würden sie erkennen, dass ihre Abfälle, Abwässer und Katzen eine Belastung für die Lagune sind. Eigentlich bilden Sie eine Siedlung ohne Kanalisation und wildernde Katzen verdrängen und dezimieren brütende Vögel.  Angeblich waren hier früher auch brütende Flamingos und im Wasser die größte Seepferdchen Population Europas. Hoffentlich setzt sich hier ein vernünftiger Umweltschutz durch, die Lagune mit den vorgelagerten Sandinseln ist ein schützenswertes, faszinierendes Ökosystem und als Segler sollte man größtes Interesse an einer intakten Natur haben. Wir überlegen uns wie wir unseren ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich halten können und haben bei allem, was umweltbelastend ist ein schlechtes Gewissen.
Zeit für Ausflüge:

Von hier aus gibt es keine Fährverbindung nach Faro, da müsste man in Farol umsteigen oder zu Fuß über die Insel nach Farol maschieren. Hier in Culatra gibt es eine Fähre, die von Olhao kommt, hier Zwischenstopp macht und dann über Farol wieder nach Olhao fährt und das Ganze sechs Mal am Tag, die letzte geht um halb acht. In der Hauptsaison dürfte es noch weitere Fährverbindungen geben, aber September ist bereits Nachsaison und ab 21. September beginnt hier die Wintersaison mit noch eingeschränkterer Verbindung.
So beginnen alle unsere Ausflüge beim Fähranleger Culatra und wir fahren über Olhao, dann mit dem Zug weiter nach Faro und ein anderes Mal nach Fuzeta. Die Fähre braucht schon mal eine dreiviertel Stunde, der Weg zum Bahnhof, Wartezeiten, Bahnfahrt, da ist man dann zu Mittag am Zielort angekommen. So ab vier am Nachmittag tritt man dann wieder die Heimreise an, Einkauf in Olhao, wenn man schon an einem großen Supermarkt vorbei kommt und dann wieder Fähre und mit dem Beiboot zurück zum Schiff. Vom Ankerplatz aus überblickt man die gesamte Lagune, Luftlinie ist es nach Olhao zweieinhalb Kilometer, nach Faro acht, abends kitschige Sonnenuntergänge über Faro und nachts klitzende Lichterketten rund um uns.

Vielleicht nicht so idyllisch sind der Flugverkehr der recht häufig und tieffliegend über die Lagune direkt zur Landebahn zieht und eine für mich grenzwertige Geruchsbelästigung die wahrscheinlich vom Schlamm ausgeht. Riecht nach Schwefel, Kloake, Klärgrube. Das ist auch der Grund warum es uns hier in der Lagune nicht ins Wasser zieht, farblich erinnert es an den Neusiedlersee, man sieht nur selten den Grund. Bei Hochwasser kann man auf direktem Weg mit dem Beiboot nach Olhao zu den Markthallen, dauert etwa zwanzig Minuten, wenn man dann zu lange unterwegs ist, kommen die Sandflächen alle wieder hervor und nur mit Glück kann man knietief das Boot wieder zurück nach Hause ziehen. Andernfalls müsste man in einem weiten Bogen die Fahrstraße nehmen, das ersparen wir uns aber lieber.
Um unseren Besuch, Sandra und Livia vom Flughafen Faro besser abholen zu können, verlegen wir uns in der Lagune. Neben der Fahrrinne nach Faro kann man auf zwei bis drei Meter ebenfalls gut ankern, einige Boote haben hier Platz, wir stehen neben einem Schweden.
Von hier aus starten wir die gemeinsame Woche am Segelboot. Nach einem ersten Ausflug nach Faro verlegen wir uns wieder auf das Ankerfeld vor Culatra, genießen die Ausflüge in den Ort und an den Strand. Zum Glück gab es noch ein paar heiße Tage, sodass wir sogar im nur 20 Grad warmen Atlantik baden konnten, oder ehrlich gesagt war es nur ein Abkühlen und sich gegen die Brandungswellen stemmen. Wir wollten ja die Wasserretter nicht strapazieren, die mit ihren Baywatch Bojen den Strand bewachen und tatsächlich loslegen, wenn jemand weiter draußen schwimmt und es vielleicht nicht mehr zurück schafft. Für das angesagte Schlechtwetter nehmen wir nochmals die Marina in Villamoura, damit wir sicher und bequem stehen und auch etwas mehr Bewegungsfreiheit haben. Auch hier ist schon deutlich Nachsaison und wenig los, beim Spaziergang durch den Ort wirkt er fast wie ausgestorben. Für die zwei Segelstrecken haben wir leichten Wind, Livia ist an allem interessiert, auch an den frisch geangelten Makrelen, die wir auch in ihrem Malbuch verewigen. Sie steuert und winscht, noch nicht ganz alleine, aber das wird schon noch. Die gemeinsame Zeit verging rasch, am Weg Richtung Lissabon geht sich noch ein kurzer Abstecher zur Felsalgarve aus, ein Gebiet welches für uns Segler mangels Ankermöglichkeiten eher ausfällt.
Der krönende Abschluss unserer Zeit in Portugal sind drei Tage Lissabon, eine wunderbare Stadt, in der man es auch länger aushalten würde. Für uns sind die vielen steilen Straßen und Treppen rasch überwunden, von den Hügeln ergeben sich wunderbare Ausblicke und in jedem Stadtteil entdeckt man schöne Plätze, aufwendig renovierte oder wiederaufgebaute Häuser, viele mit den typischen Fliesenfassaden, die man überall in Portugal bewundern kann. Die Studentin, die uns mit dem Tuk-Tuk, ein dreirädriges Mopedfahrzeug, die Stadt zeigt, berichtet auch viele interessante Details, so zum Beispiel, dass die Fliesen hauptsächlich eine Isolierung der Fassade waren und erst in zweiter Linie künstlerisch hübsch sein sollten. Die blauweißen, die mir am besten gefallen, sind meistens handgemalt, teilweise sind Farben und Muster so überladen, dass einem beim Hinschauen schwindlig wird, besonders wenn man etwas landkrank ist.
Lissabon hat bei seinen Sehenswürdigkeiten internationale Anleihe genommen, so haben sie eine Christusstatue wie in Rio, einen Metallaussichtsturm wie in Paris, einen Brunnen wie in Graz und eine Brücke wie in San Francisco und die Liste ließe sich sicher noch fortsetzen, wir konnten uns leider nur einen Bruchteil aller Schönheiten der Stadt ansehen.  An vielen Mauern sieht man Graffitikunst und die U- Bahnstationen sind ebenfalls mit Fliesen, Statuen, Bildern usw. künstlerisch gestaltet, so ist die U- Bahn nicht nur praktisch, sondern wirklich ein Highlight der Stadt.
Sandra und Livia treten von Lissabon die Heimreise an, wir bereiten uns auf die Überfahrt zu den Kanaren vor. Zurück in der Lagune sind wir erleichtert, als wir die Seven Seas friedlich vor Anker liegen sehen. Es war das erste Mal, dass wir unser Boot außerhalb einer Marina allein gelassen haben. Zum einen haben wir immer Angst, dass unser Anker nicht hält, oder ein anderes Boot losreißt und uns rammt, zum anderen könnte ja einiges vom Boot geklaut werden. Beiboote und der dazugehörige Motor sind begehrt. Wir selbst haben in dieser Bucht zwei Belgier zum Ufer mitgenommen, denen ihr Beiboot vor einigen Tagen in Tarifa geklaut wurde. Ein Deutscher, der allerdings viele seltsame Geschichten erzählte, berichtete von organisierten Banden, die hier Segler bestehlen. Zur Sicherheit haben wir alles am Boot festgezurrt und versperrt und sind mit dem Taxiboot nach Olhao zu unserem Mietauto gefahren. Zurück sind wir dann, wie gewohnt mit der Fähre in der Hoffnung, dass uns ein anderer Segler oder ein Fischer wieder auf unser Schiff bringt. Ein englisches Paar war auch gleich so nett, wir mussten gar nicht lange am Steg herumstehen und warten. Keine Schäden, keine Diebstähle, alles gut.

Nun die Überfahrt nach den Kanarischen Inseln, 650 Seemeilen, fünf oder sechs Tage, laut Wettervorhersage bei konstanten 10- 20 Knoten. Die Strecke ist um ca. 100 Seemeilen länger als die Überfahrt Kreta- Malta und es ist die erste, richtige Atlantikstrecke dieser Reise. Mal sehen wie es uns dabei geht.