Kap Verden I
Mittwoch früh, am Funk meldet sich niemand von der Marina, wir nehmen den äußersten Platz an einem der drei Schwimmstege, da kann man am wenigsten kaputt machen, der Wind bläst nach wie vor heftig. Netterweise helfen sie uns von den Nachbarschiffen beim Anlegen. Alles gut geklappt, wir bringen doppelte Leinen aus, der Wind pfeift und wir zerren und rücken wieder mal ordentlich herum. Hier ist noch mehr Schwell als in allen anderen Marinas und kaum ein Unterschied zur Schiffsbewegung draußen bei der Fahrt, aber wenn nicht gerade ein Tau reißt oder sich eine Klampe aus dem Steg löst, steht man hier sicher. Die Steganlage ist mit Magnetkarten zu öffnen und auf jedem Boot ist Leben, es wird gerichtet, geputzt, Einkäufe geschleppt oder auch nach getaner Arbeit gerastet. Gleich am Vormittag kommen die ersten Segler zum „Hallo sagen“ vorbei und sie bringen auch gleich alle wichtigen Informationen mit, so unkompliziert war`s noch nie. Wir wissen noch bevor wir hier eingecheckt haben wo die Hafenbehörden ist, die Imigration, das Internetshop, der Markt, wann Transocean- Stützpunkttreffen ist und wo man sich wegen Reparaturen melden kann. Fast ein bisschen viel Info um sich alles zu merken, wir starten mal los, bevor wir`s wieder vergessen und so sitzen wir zwei Stunden später schon wieder zufrieden am Schiff. Hier ist einem vom Geschaukel leicht übel, draußen ist es schwül und ich bin landkrank, jeder Schritt ist anstrengend, ich bin schwindlig und jeder Muskel tut weh.
Vor der Marina hat sich eine Gruppe Afrikaner postiert die alle ihre Dienste anbieten, auch ein bisschen viel für den Beginn, überhaupt muss man sich an die vielen Leute, den Lärm, den Verkehr erst gewöhnen, Mindelo hat immerhin fast 63 000 Einwohner. Also doch vorerst noch am Schiff bleiben und es langsam angehen. Ankommen heißt ja auch alles wieder wohnlich machen, Rettungswesten, Schwerwettergewand, Liegeplätze im Salon wieder wegstauen, alles mal durchputzen, weil salzig und Wäsche richten, letzter Waschtag vor der Karibik, duschen und frisches Bettzeug, welch Genuss.
Für Abend verabreden wir uns an der Bar mit der Crew der Blue Lilly und nachmittags riskieren wir eine erste Runde durch das Zentrum von Mindelo, Markt, Fischmarkt und Supermärkte, erster Überblick mit gemischten Gefühlen. Die Kap Verden werden als Afrika für Anfänger beschrieben, wir waren noch nie in Afrika, es fehlt der Vergleich, hier ist auf jeden Fall eine gemischte Bevölkerung, Nachkommen von europäischen Kolonialherren und schwarzen Sklavinnen, dazu aber auch Schwarze, von Afrika hier her ausgewandert und Chinesen. Das Leben spielt sich auf der Straße ab, Kinder und Hunde laufen zwischen drin herum, überall wird was verkauft oder gebettelt und größere Ansammlungen von Männern verraten die Plätze an denen gespielt wird. Als „Weißer“ ist man auffällig Tourist, wird oft angesprochen, auch angebettelt, zum Glück nicht aggressiv, man kann auch leicht weitergehen und wenn man was gibt sind sie sehr dankbar. Kindern soll man nichts geben, steht in allen Büchern, weil man sie sonst von der Schule weglockt. Wer will schon was lernen wenn man auf der Straße gut verdient und bis sie draufkommen ist der Bildungszug abgefahren, wäre bei uns auch nicht anders. Wenn wir mit ihnen Nüsse oder Keks geteilt haben, antworteten sie mit strahlenden Gesichtern. Verhungert sieht hier niemand aus, angeblich sind genauso viel Kap Verder im Ausland als hier auf den Inseln und sie unterstützen ihre Familien finanziell. Daraus ergibt sich eine Mischung aus Armut und einfachem Leben mit auffälligem technischem Fortschritt und zur Schau gestelltem Reichtum. So versteht man auch, dass neben Bauruinen auffällig gestrichene Häuser, Villen im neuesten Design und Autos aller namhafter Hersteller zu sehen sind. Angeblich kennt hier jeder jeden, daher lässt es sich nicht so leicht kriminell sein, gestohlen wird sicher nicht mehr wie anderswo in Europa.
Jetzt, nach einer Woche, kann ich es nicht mehr sagen wie lange es gebraucht hat bis ich hier angekommen bin, irgendwann geht man ganz selbstverständlich einkaufen, macht Ausflüge, hat Kontakte,
wird immer von den gleichen Händlern gegrüßt, gehört einfach ein bisschen dazu.
Schon am ersten Tag übergeben wir unseren kaputten Gasregler an Rudi, die gute Seele hier in der Marina. Er kümmert sich um die Boote von Trend Travel, die hier einen Charter- Stützpunkt haben
und hilft bei Besorgungen und Reparaturen. Am nächsten Tag bringt er das Ding zum Schiff, kassiert, weniger als es uns in Europa gekostet hätte und nach unkomplizierter Montage ist der Gasdruck
wieder geregelt.
Nach unserem ersten Überblick über das Warenangebot im Zentrum war uns klar, dass wir unser Glas oder ersatzweise Blech für die Backrohrtüre eher weiter draußen im Industriegebiet bekommen
werden, also Räder raus und gleich mal auf zur Erkundungstour. Ziemlich anstrengend, denn die meisten Straßen sind Kopfsteinpflaster, unregelmäßig mit haufenweise Löchern und die Nebenstraßen
sind Schotter- oder Sandpisten. Vorbeifahrende Autos verpesten uns mit ihren Abgasen, so riesen schwarze Wolken sieht man bei uns selten aus den Auspuffen kommen und die Staubwolken die einem
regelmäßig einhüllen muss man auch erst gewöhnen. Die meisten Betriebe haben Mittagspause und so werden wir in einem Vorort bei einer kleinen Schweißerei fündig. Robert kramt sich durch die
rumliegenden Metallteile und findet rasch ein Stück Blech aus dem wir unsere Platte raus schneiden können. Für zwei Euro bekommen wir Material plus Zuschnitt, echt nett. Schon am zweiten Tag ist
unsere Reparaturliste abgearbeitet, zur Probe auch gleich was gebacken, funktioniert fast besser als vorher und durch die getönte Scheibe hab ich die Kuchen vorher auch nicht gesehen, also
scheint unser Provisorium ein langes Leben zu haben.
Neben all den Arbeiten treffen wir uns, wie gesagt mit anderen Seglern, die wir hier kennen lernen, alte Bekannte sind vorerst nicht dabei, erst kurz vor unserem Aufbruch kommt Stefan von der
Chenoa hier nochmals an.
Unser erstes Treffen mit Hans, Lydia und Robin von der Blue Lilly an der Bar beginnt gleich mal lustig. Wir sitzen, wie vereinbart um 18 Uhr an der Bar, jeder ein Drink, Tablett mit Internet vor
der Nase, vielleicht kann man den Code später noch gut gebrauchen. Nach einer halben Stunde kommt es uns komisch vor, ist was passiert, weil sie nicht kommen? Nach einer Stunde tuckern sie
mit dem Beiboot an, pünktlich, denn hier gehen die Uhren anders und wir haben es verschlafen unsere nachzustellen, wären wahrscheinlich lange nicht drauf gekommen, so sind Termine hin und wieder
auch was Gutes.
In den folgenden Tagen lernen wir noch Karl und Ulli von der Miss Pezi und Eva, die mit Rainer auf ihrem Kat unterwegs ist, kennen, wir unterhalten uns gut, es gibt immer viel zu erzählen und Erfahrungen auszutauschen. Karl und Ulli waren schon in der Karibik und sind auch schon länger hier auf den Kap Verden unterwegs, echt super was wir alles an Informationen bekommen, wir verbringen einige nette Stunden miteinander. Und die Besichtigung der Miss Pezi, ein besonderes Highlight, noch nie haben wir ein so großes, stabiles und perfekt ausgerüstetes Boot gesehen. Eine riesen Motoryacht, stabil wie die Patrouillenboote in der Beringsee, absolut hochseetauglich, Fahrgeschwindigkeit so um die acht Knoten, ein schwimmendes Haus mit aller Infrastruktur, da sind wir im Vergleich ein Schneckenhaus. Echt gemütlich ist es bei den Vieren, zwei große Hunde gehören nämlich auch zur Crew. Ein Blick durch die Wärmebildkamara zeigt den Hafen bei Dunkelheit so plastisch als gäbe es keine Nacht, so ein Ding wäre für uns auch perfekt, oder leider auch nicht, zu schwer und zu teuer, wir bleiben weiter halb blind in der Nacht und müssen uns mit den Informationen auf dem Radar zufrieden geben. Also auch weiterhin keine gefährlichen Ansteuerungen bei Dunkelheit, lieber draußen bleiben und warten bis man was sieht.
Weil alles so perfekt läuft haben wir Zeit für Ausflüge. Mit dem Rad nach Sao Petro, ein verschlafenes Fischerdorf, wir kommen gerade rechtzeitig als die schönen bunten Boote am Strand landen,
mit vereinten Kräften im Sand hochgeschoben werden, der Fang bewundert und verteilt wird. Auffällig viele junge Fischer, die ihren Job mit Esprit ausführen, schön, dass es das noch gibt,
hoffentlich noch lange rentabel genug zum Leben. Unser Ausflug nach Santo Antao klappt auch so wie wir uns das vorgestellt haben. Mit der acht Uhr Fähre, die auch schon mal zehn vor acht
losfährt, geht's rüber nach Porto Novo, dort warten Taxis, Kleinbusse und Aluguer auf Kundschaft, wir ergattern eine Tour mit zwei weiteren jungen Wanderern über die alte Bergstraße rauf auf die
Caldera. So gegen zehn Uhr oben angekommen staunen wir über so viel grün, alles ist landwirtschaftlich genutzt, wir steigen auf den alten und noch genutzten Wegen in den Kessel des ehemaligen
Vulkans ab und auf der anderen Seite wieder hoch, bis wir fast senkrecht in das Paul- Tal blicken. In engen Serpentinen geht es den Hang runter und immer tiefer rein in den schluchtartigen
Canyon. Bis weit hinauf wird an den Hängen Zuckerrohr, Bananen, Kaffee und anderes angebaut. Ein Besuch der „Jausenstation“ von Alfred Mandel, einem Österreicher der vor über 20 Jahren hier
hängen geblieben ist und eine Biolandwirtschaft mit Grogbrennerei betreibt, lassen wir uns auch nicht entgehen. Wir sind gleich in ein interessantes, philosophisches Gespräch über Leben,
Nachhaltigkeit, Aufbruch und Veränderung vertieft, müssen dann aber weiter um vom Ort Paul eine Fahrgelegenheit zum Hafen und mit der Fähre zurück noch zu schaffen. Hier wäre es toll ein paar
Tage zu bleiben, einen ersten Eindruck haben wir so aber auch bekommen und unser Entschluss auch noch andere Inseln sehen zu wollen ist gereift. Sao Vicente mit Mindelo ist wahrscheinlich die
unattraktivste Insel, alles karg, staubig und die relativ große Stadt ist auch keine Augenweide. In den nächsten Tagen letzte Vorbereitungen, wir treffen auch noch Stefan von der Chenoa und
verbringen zwei gemütliche Abende miteinander, wirklich schön sich wieder zu sehen. Schade, dass Cornelia nicht mehr dabei ist, dafür lernen wir Bernhard, seinen netten Mitsegler kennen. Dann
aber Aufbruch bevor wir hier anwachsen, angeblich wächst hier alles, Muscheln und Algen am Unterschrift besonders gut, werden wir in der nächsten Bucht mal schwimmend
begutachten.