Winterpause
Wir verlassen Nafplion bei leichtem Wind, wie in der letzten Zeit üblich, gleiten wir langsam dahin wieder Richtung Süden. Zwei Fixpunkte haben wir im Oktober noch vor uns. Am 20.10. wollen wir in Poros sein um Freunde, die am Ösyc Cup teilnehmen zu treffen, am 24.10. haben wir in Porto Heli unseren Krantermin vereinbart. Die Reise geht für heuer zu Ende, wir haben keine großen Distanzen mehr vor uns, die Einträge im Positionsreport picken so eng beisammen, dass man sie kaum mehr auseinanderhalten kann. Einige der Buchten, die wir schon am Weg zu den Kykladen angelaufen haben nehmen wir diesmal wieder, sie liegen gut auf der Strecke und sind schön. Das Wetter verwöhnt uns ein letztes Mal mit heißen Tagestemperaturen, das Wasser ist noch immer warm, Baden ein Genuss. Der Argolischen Golf ist für heuer unsere griechische Heimat, hier bleibt unser Boot über Winter, schon allein deswegen ist es für uns ein wichtiger und emotionaler Ort. Unser schwimmendes Haus wird durchgeputzt, wir haben schon Listen an Kleinigkeiten, die verbessert oder repariert werden müssen, Leinen, Kleidung, Decken, Bettwäsche, alles muss noch einmal gewaschen und gut getrocknet werden, das Boot wird dicht gemacht, wie ein Ferienhaus. Wir haben uns entschieden diesen Winter in Österreich zu verbringen. Viele Griechenlandkenner bestätigen uns, dass es hier am Wasser in der kalten Jahreszeit sehr feucht und ungemütlich ist. In Österreich haben wir auch noch einiges zu erledigen und Familie und Freunde wollen wir auch besuchen. Nächsten Frühling freuen wir uns wieder auf unser Boot, wir fühlen uns hier sehr zu Hause, sodass auch jetzt ein Gefühl des Abschieds spürbar wird. Die letzte Segelstrecke bewältigen wir bei gutem Wind und traumhafter Sonne, wir segeln ins Abendlicht, zuletzt in die untergehende Sonne. Damit verstärken sich die sentimentalen Gefühle, wie wenn uns das Wetter einen Abschiedskuss gibt und uns positiv stimmen möchte. Tatsächlich kann man sich in solchen Momenten die Strapazen von Starkwind und auch die Anspannung und Sorgen beim Abwettern nicht herholen. Wie wenn es diese Situationen nicht gegeben hätte, die Natur und unsere Psyche scheinen hier in einem Pakt sehr verschwörerisch zusammen zu arbeiten um uns Mensch positiv zu stimmen und voll guter Gefühle und Sehnsüchte eben Abschied nehmen zu lassen. Anders wäre man ja vielleicht erleichtert etwas endlich hinter sich gebracht zu haben und man würde es sich gut überlegen ob man so weiter tun möchte. Für uns waren die ersten fünf Monate unserer Reise voll von wichtigen Erfahrungen und schönen Erlebnissen, an die wir uns gerne erinnern und darüber sprechen. Die vergangene Zeit und die Distanz zu den Erlebnissen verändert auch den Blick, die Einschätzung und die Emotion. So fühlen sich die ersten zwei Wochen, die wir uns an der italienischen Küste entlang gequält haben heute schon als wichtige Erfahrung an, wie wir Strecken bewältigen. Auf unserer weiteren Reise wird es Distanzen geben wo wir Tage, später auch Wochen durchfahren ohne anzulegen. Da sind wir auch Tag und Nacht dem Wetter ausgesetzt, so wie in vielen Fassetten erlebt. In den letzten Wochen haben wir auch geübt, wie es sich anfühlt, wenn durch wenig oder gar keinen Wind kurze Strecken endlos werden, wie es ist auf der Wasserfläche in der Flaute zu verhungern, also einfach stehen zu bleiben und zu warten bis wieder Wind kommt der einen weiter bringt. Hier wäre es leicht möglich gewesen den Motor anzuwerfen und in ein oder zwei Stunden wieder an der Küste zu sein, bei Überfahrten wird es nicht sinnvoll sein einfach mit dem Motor loszufahren wenn einem noch hunderte Meilen von der nächsten Küste trennen. Dieses Festhängen, Warten müssen, hat was mit einlassen zu tun, mit geduldig sein, mit sich fügen. Sonst entsteht Anspannung, Unzufriedenheit und Ärger, man möchte Veränderung wo sich nichts ändern läßt, man möchte beschleunigen, wo Ausharren gefragt ist. Einen ersten Eindruck davon haben wir hier bekommen, wir haben die Situationen gut genutzt, gelesen, beobachtet und die Zeit vergehen lassen, waren zufrieden mit den kurzen Distanzen die wir so als Tagesetappen zurückgelegt haben.
Jetzt sind wir schon gespannt wie sich Österreich für uns anfühlt, wie wir mit dem Tempo, dem Lärm, den Aufgaben zurecht kommen, was sich verändert hat, wie wir uns verändert haben.
Wir wollen Wintersport machen und hoffen auf Schnee, auch hier kann Geduld gefragt sein. Letzten Winter konnten wir fast keine Skitouren gehen, weil die Bedingungen eben nicht gepasst haben, dass müsste sich mit unseren neuen Erfahrungen jetzt besser aushalten lassen, mal sehn.
Auf jeden Fall spüren wir wieder Veränderung, wieder ein neuer Abschnitt, mit dem festen Plan nächsten Frühling die Reise fortzusetzen, das Abenteuer des Reisens, aber noch wichtiger der Veränderung, des Zulassens, des neugierig und offen bleibens.
Der Abend in Poros mit den Freunden vom Ösyc Cup war lang und schön. Viele alte Erinnerungen wurden ausgetauscht, hatten wir doch viele gemeinsame Regatten bestritten und uns beim Segeln kennen gelernt. Unsere Fahrtenyacht wurde besichtigt und festgestellt, dass sie doch in vielerlei Hinsicht anders als die üblichen Charteryachten ist. Es sind andere Dinge wichtig über die man sich als Charter oder Regattasegler keine Gedanken macht, auch uns fällt in den Gesprächen der Unterschied erstmals wieder auf. Wir merken, wie selbstverständlich uns die Welt des Fahrtensegelns schon geworden ist und wieviel wir uns auch in den Jahren der Vorbereitung schon angeeignet haben. Wieviel Vorbereitung braucht ein Traum, wie wäre es, wenn man sich einfach so reinstürzt und die Dinge sich dann ohnehin ergeben, die Anforderungen einem zeigen wo es lang geht. Es gibt viele Beispiele von Seglern die sich lange auf ihre Reise vorbereiten, die sie dann doch nie antreten und es gibt eine Erkenntnis unter den Fahrtenseglern, die wir nach unseren bisherigen Erfahrungen nur bestätigen können: Vorbereitung ist wichtig, aber irgendwann muss man sich drüber trauen, muss ins kalte Wasser springen, sonst tut man es eben nie, denn es gibt immer gute Gründe aufzuschieben. Kontakte und Freundschaften bleiben teilweise aktiv, von vielen hört man nichts mehr, die Distanz scheint zu groß, die Welten zu verschieden. Auch diese Erfahrungen gehören zu unserem neuen Lernprozess, die Entscheidung eine längere Reise in den sonst noch aktiven Arbeitsjahren zu machen bereuen wir aber nicht. Denn die Sorge, die Reise aufschieben zu müssen bis zur Pension, sie vielleicht nie verwirklichen zu können, würde schwerer wiegen und den Arbeitsalltag mit unerfüllter Sehnsucht belasten.
Mir geht die Arbeit wesentlich mehr ab als Robert, er ist ja auch an Bord Techniker, also praktisch ein bisschen in der Arbeit. Mein Wissen könnte sich jetzt ganz im nichts auflösen, bzw. wird es wenig gebraucht, sind wir beide heuer, zum Glück gesund und von größeren Unfällen verschont geblieben. Ich möchte nicht nach den Gesetzen der Vergessenskurve abbauen, daher ist es mir wichtig auch Fachliteratur zu lesen und mich medizinisch und psychologisch am Laufenden zu halten und weiter zu bilden. Zeit hab ich ja genug und Lust auch wieder.
Wir sind schon einen Tag vor dem Krantermin in der Bucht von Heli, erledigen den Papierkram mit den Verträgen für die Werft und Stefan, der auch am nächsten Tag den Kran führt, kommt zu uns an Bord und erklärt uns was wir alles vorbereiten können damit es morgen rasch geht, mit der Einschränkung, dass es wegen starkem Wind und Regen vielleicht auf Montag verschoben wird. Und noch dazu steht an dem Platz an der Mole ein Fischkutter, nur wenn der wegfährt können wir gekrant werden. Ich bin etwas irritiert von so vielen Unsicherheiten und Einschränkungen, Robert ist angespannt, schlaft schlecht und bekommt Sodbrennen, dank Pantoloc kein Problem. In der Nacht zerrt der Wind noch ordentlich am Anker, in der Früh dann noch eher schwacher Wind von Südost. Um sieben Uhr sehe ich den Fischer an uns vorbeifahren, unser Startsignal, hin zur Mole, dann ist der erste Schritt getan. Um halb zehn geht's dann los, der Kran und der Transportwagen kommen, mit ihnen vier starke Männer, die Gurten und Geräte bedienen. Es ist wie bei einer Operation, konzentrierte Feinarbeit, Robert möchte nicht zuschauen und verzieht sich zu einer Hafenrunde, ich setze mich in gutem Abstand hin, fotografiere und beobachte. Nach zwei Stunden stehen wir am Transportwagen im Hafengelände, unsere Parkposition bis Montag, denn den Rest des Tages schüttet und stürmt es aus südost und alle sind mit Sicherungsarbeiten, besonders am Ankerfeld beschäftigt. Für uns macht es keinen Unterschied von wo aus wir vom Boot auf den Boden klettern, wir nutzen das Wochenende und erledigen die anstehenden Arbeiten. Obwohl hier alle Boote auf Holzgestellen, die etwas wackelig und altertümlich ausschauen stehen, fühlen wir uns sicher und gut aufgehoben. Wir selbst stehen ja ohnehin fast am Boden, weil wir Schwert und Ruder eingezogen haben, wir können nicht umfallen und wenn auch keines der Nachbarboote auf uns drauf fällt, ist alles in Ordnung. Rasch ergeben sich Gespräche mit anderen Bootsbesitzern, so erfährt man auch wichtige Kleinigkeiten hier von der Werft, aber auch die Zeiten der Busverbindung, die bei weitem die günstigste und unkomplizierteste Möglichkeit nach Athen zu kommen ist.
Die Boote stehen dicht an dicht, überall wird gelüftet, repariert und verstaut und mitten drin packt ein junger Mann eine Fitnessbank mit schweren Schwarzen Gewichtscheiben aus, stellt sie auf den Boden vor seiner Yacht und trainiert ein wenig. Komisch, wenn man bedenkt, dass man sich jedes Gewicht was man an Bord nimmt gut überlegt um nicht überladen zu sein. Was der bloß an Alltagsgegenständen zu Hause läßt damit er seine Fitness spazieren führen kann?
Die Hafentage vergehen rasch, alles soweit erledigt, Start zur Heimreise.