Verlust
Jetzt ist es schon eine Weile her seit wir die Ionischen Inseln verlassen haben. Von Zakynthos aus sind wir nach Katakolon, nicht weil der Ort für Segler sehenswert ist, sondern weil die Distanz eine schöne Tagesstrecke von der Laganabucht aus ist. Zante, wie Zakynthos auch genannt wird ist wirklich eine besonders schöne Insel, sehr vielfältig, an manchen Ecken sehr touristisch, dann wieder sehr ursprünglich ländlich. Über die Hauptstadt haben wir Negatives gelesen, sehr schmutzig, laut, an der Mole nicht sicher zu liegen. Auch von Ratten, die an Bord klettern war die Rede. Die Gefahr gibt es prinzipiell überall wo man mit Leinen zum Land hin festmacht, denn Ratten sind gar keine schlechten Schwimmer und Seiltänzer sind sie obendrein. So haben sie gleich mehrere Möglichkeiten in ihr Schlaraffenland, die schwimmenden Inseln, zu gelangen. Wenn das Boot versperrt ist, weil man zum Beispiel auf Landausflug ist, werden sie nicht viel finden, denn Essbares liegt ja nicht so an Deck herum und Mist steht bei uns auch keiner draußen. Aber sie können sich in den Schapps verstecken, Schlapfen, Kabel und was sie sonst noch finden anknabbern oder auch nur verschmutzen. Blöd ist es eher wenn man an Bord schlaft, da hat man ja die Luken (Fenster) offen, damit der wenige Wind, der in der Nacht weht etwas durchzieht und kühlt und da können sie dann heimlich ins Bootsinnere. Da wäre dann wirklich alles was so ein Rattenherz begehrt leicht zugänglich zum futtern. Damit wir uns so gut geht vor diesen oder anderen unliebsamen Gästen schützen, wird in der Nacht die Gangway, Brücke zum Land, hochgezogen und auf die Leinen kommen Rattenabweiser. Das sind Scheiben durch die die Leine durchgeführt wird, wenn eine Ratte drüberklettern will dreht sie sich und wirft die Ratte ab, so die Theorie, gesehen haben wir so eine Aktion noch nie, haben auch noch nirgends Ratten gesehen, auch nicht in Zakynthos. Und alles Negative hat sich auch nicht bewahrheitet. Die Stadt ist sehr schön, eine angenehme Größe, am Abend ist was los, aber nicht unangenehm laut, sondern eher Familien mit Kleinkindern und am Hauptplatz in der Ecke vom Hafen warten die Fiaker auf Gäste, ohne Stefansdom im Hintergrund ein ungewohntes Bild.
Wir haben die Stadt als sichere Basis genommen um ausgiebig mit den Fahrrädern rum zu fahren. Leider sind alle Fotos von Zakynthos bis Kyparissa verschollen, die SD Speicherkarte zeigt beim Auslesen ein einziges altes Bild, sonst nur eine leere Seite am Bildschirm. Ich war kurz verzweifelt, nochmal alles zugemacht und neu gestartet, soll ja bei Computerproblemen oft helfen, dann der Ruf nach meinem Techniker - schau mal da geht was nicht, die Fotos sind weg.
Robert bemüht sich die verlorenen Dateien mit Reperaturprogrammen wieder zurück zu gewinnen, einzelne Bilder sind dann auch tatsächlich kurz zu sehen, dann stürzt das Programm leider immer wieder ab, speichern konnten wir sie bisher noch nicht. Nach den ersten Gefühlen Wichtiges verloren zu haben, eventuell unwiederbringlich, jetzt doch wieder das Gefühl eigentlich alles im Kopf und in der Emotion gespeichert zu haben. Nur schade, dass man Andere dann nicht so leicht teilhaben lassen kann, auch auf der Homepage fehlen die Bilder. Vielleicht ist es mir auch deshalb so wichtig immer wieder Impressionen in Texte zu fassen und so Dinge fest zu halten, die Bilder nicht fassen können oder wo Bilder eben fehlen. Gerüche zum Beispiel, nicht nur die Pflanzen duften teilweise sehr intensiv, besonders Oleander und Jasmin in den Ortschaften und trockens Gras und Kräuterduft an den Hängen, wenn wir wieder mal einen Hügel erklimmen. Oder auch nach Verbranntem wenn man an einem Gebiet nach Waldbrand vorbei kommt, so wie bei Pylos wo die Feuerwehr sogar noch zur Brandwache vor Ort war. In manchen Buchten fischelt es und Sandstrände und die Dünen dahinter haben auch einen ganz eigenen Geruch, salzig, sandig und oft ein bisschen muffelig. In den Sanddünen von Lagana gab es einzeln stehende weiße Blüten, aussehend wie Lilien, intensiv süßlich riechend, weit weg von jedem Grün im Sand. Hätte ich auch fotografiert, wäre aber am Bild wahrscheinlich gar nicht so besonders zur Geltung gekommen, weiße Blüten vor weißem Sand in grellem Licht, eher mager vom Kontrast, vielleicht kann die Beschreibung das Besondere besser einfangen. Schildkröten haben wir leider keine gesehen, nur die markierten Einester. Das Gefühl in einem Schutzgebiet zu sein, wo die Natur möglichst in Ruhe gelassen werden soll und wo es Kilometer weit natürlichen Sandstrand gibt, läßt sich in Bilder kaum fassen und mit Worten auch nur teilweise beschreiben. Von der Straße zum Strand durch die Dünenlandschaft war es eine Herausforderung die Räder durch den tiefen Sand zu schieben, von fahren war keine Rede mehr.
Die Mühen werden dann durch einen fast leeren Strand, glasklares Wasser, weit hinein nur hüfttief, so zum rumsitzen und kühlen, belohnt. Und was auf Bildern auch nie oben ist, die Aktion am Sandstrand möglichst wenig Sand in der Radelhose und in den Schuhen zu haben, nachdem man alles über die feuchtsalzige Haut wieder angezogen hat. Schweiß und Sand ersetzen jedes Schmirgelpapier oder Peeling. So betrachtet sind Sandstrände sehr unpraktisch und der Zauber und die positiven Kindheitserinnerungen haben nicht zu übersehende Nachteile und trotzdem zieht es einem immer wieder hin. So auch zur Ochsenbauchbucht, angeblich der schönste Sandstrand Griechenlands, davon gibt es aber zum Glück schon wieder Bilder. Wenn man Zakynthos beschreibt dürfen die Olivenhaine nicht fehlen, auch ganz typisch vom Geruch, nicht weil Olivenbäume stark riechen, eher die trockene Erde, die Gräser und andere Pflanzen, sowie Schafe und Ziegen, die oftmals frei herumlaufen. Da Ziegen auch junge Oliventriebe gerne fressen werden die Bäume mit Drahtgittern oder Dornen gegen raufkletternde Ziegen geschützt. Dass schaut nicht besonders hübsch aus, scheint aber den Zweck zu erfüllen, Ziegenabweiser, man muss sich eben vor allen möglichen Tieren schützen. Das Olivenöl in der Ölmühle riecht dann schon wieder intensiv, auch weil sie Zitronen, Orangen und Knoblauchöl erzeugen und frisches Brot zum Kosten bereitstellen. Und so gäbe es noch viele Eindrücke aus Zakynthos, wir haben die Tage sehr genossen und alles in sehr guter Erinnerung. Auch der Aussichtspunkt für den man gleich mal 10 Euro löhnt damit man auf die Terrasse darf und ein Getränk nimmt, ist eine Pointe, die uns eher zum Lachen bringt, besonders weil es die tollen Bilder, die wir dort gemacht haben jetzt gar nicht gibt. Aktionen, die nicht so gelungen sind bleiben besonders im Gedächtnis, Robert hat zu guter letzt wegen eines Platten sein Fahrrad noch den Berg hinunter schieben müssen, dass war wirklich hart.
Die Überfahrt nach Katakolon war ein Genuss, in Bilder gefasst intensives Blau unterschiedlicher Schattierung, sanfte Wellen, kleine weiße Schaumkronen, bei Annäherung zum Land mischen sich dann Türkistöne unter und an der Landzunge, die man runden muss sieht man bereits runter bis zum Grund, das sind dort schon mal sieben bis zehn Meter. Katakolon ist ein eigenartiger Ort, Hauptanlegestelle für Kreuzfahrtschiffe, die hier ihre Gäste zu den Ausgrabungen nach Olympia karren. Daher gibt es in dem 1000 Seelenort einen riesen Fähranleger, einen großen Parkplatz mit duzenden Bussen und zwei der drei Gassen sind aneinandergereihte Lokale oder Geschäfte, die teilweise nur aufsperren wenn wieder ein Kreuzfahrtschiff anlegt. Dann verlassen mehr Menschen die großen Schiffe als das Dorf Einwohner hat. Außer der großen Schiffe verirren sich einige Segler hier her, Landtouristen nutzen die langen sehr schönen Sandstrände zwischen Katakolon und den anderen Orten der Küste. Wir haben wie fast immer in der Bucht geankert und von der Früh bis Mittag die Princess an und ablegen und ein weiteres Kreuzfahrtschiff anlegen gesehen. Schon sehr imposant wenn mehrstöckige Häuser an einem vorbei gleiten und sich langsam an ihren Platz an der Mole schieben. Und bevor sie ablegen das laute tiefe Schiffshorn, der Dieselabgasgestank, die dunklen aufsteigenden Abgaswolken aus den Riesenschloten ganz oben am Schiff. Im Internet recherchiert, ist ihr nächster Stop Izmir. Wir segeln mit dem Nachmittagwind weiter bis Kyparissa, ebenfalls als Zwischenstopp gut beschrieben, ca 30 Meilen entfernt. Im Hafenbecken von Kyparissa ankert es sich gut, Robert sieht mehrmals einen Seehundkopf auftauchen. Mir hat sich der kleine Kerl leider nicht gezeigt, dabei freu ich mich über solche Begegnugen besonders. Seehunde sind in der Ägäis schon sehr selten und stehen wie Schildkröten unter Schutz. Kyparissa ist vom Hafen aus eher unattraktiv, so weit man sieht Neubauten alle gleichen Stils, zwei Stock hoch, jede Wohnung mindestens einen großen Balkon, die meisten mit Meerblick. Es scheint aber noch viel leer zu stehen, wahrscheinlich zu teuer für dieses Gebiet. Und wir scherzen dann wieder, für die Wohnungen zahlen wir wahrscheinlich auch gerade unseren Teil. Auffällig sind übrigens auch immer wieder Schilder bei Ortschaften oder Ausgrabungen - wieviel EU Förderung hier drinnen steckt, man sieht es den Orten oft nicht an, hat aber natürlich null Informationen über die gelaufenen Projekte und Arbeiten. Abgesehen von unseren Scherzen hoffen wir schon, dass mit den Geldern hier positives bewirkt wird und in Wirklichkeit sind wir von politischen Unsinnigkeiten jetzt ohnehin weit weg und haben wenig Bedürfnis uns diesbezüglich den Kopf zu zerbrechen. Die Altstadt von Kyparissa und der Hauptplatz mit allen Geschäften und Lokalen ist sehr lebendig, im Kontrast zu Katakolon gar nicht auf Touristen ausgerichtet, sehr griechisch. Eigentlich wäre die Stadt durchwegs wert noch einige Tage zu bleiben, doch sind sehr starke Winde angesagt und der Hafen ist als nicht sehr sicher, beziehungsweise als unangenehm von der Welle beschrieben, das Schaukeln in der Welle ist uns ja noch aus Italien als sehr unangenehm in Erinnerung, also wollen wir besser weiter, die Bucht von Navarino unser nächstes Ziel. Dort ankern wir wieder vor einem langen fast menschenleeren Sandstrand und genießen das Meer. Landausflüge gehören schon fast zum Alltag, gibt es doch überall nette Orte, Ausgrabungen, schöne Wanderungen, Hügel mit tollem Ausblick, einfach viel, was wir uns gerne anschauen. Hier ist es die venezianische Festung am Berg, die Nestorhöhle beim Abstieg zur Ochsenbauchbucht und eben die wirklich schöne Bucht mit feinstem Sandstrand und Dünenlandschaft dahinter. Diesmal sind wir lange barfuß zurückgegangen und haben uns den Sand erst später in die Schuhe gefüllt, sonst alles wie immer bei Sandstränden. Ein erstes Treffen mit einer Kollegin aus Wien konnten wir sehr spontan für Methoni vereinbaren. Eine überschaubare Segeldistanz bei zunehmend stärkerem Wind am Nachmittag, wir kommen fast zeitgleich an, sie mit Familie mit dem Auto, wir laufen in den Hafen ein und holen sie mit dem Beiboot an Bord. Die Zeit vergeht viel zu schnell, es bleiben schöne Erinnerungen, einfach unvergessliche Momente. Methoni ist vom Ort her eher farblos, beeindruckend ist die Festungsanlage, die auch dem Hafen natürlichen Schutz gibt und in der man stundenlang herumstreifen kann und immer neue Details entdeckt. Von jetzt an geht es im Schneckentempo Richtung Kalamata, eigentlich könnten wir es problemlos spätestens in zwei Tagen erreichen, wir haben aber noch Zeit bis wir Besuch von der Jugend bekommen. Bis dahin tingeln wir die weiteren Ortschaften am Messinischen Golf ab, lassen alles auf uns wirken, haben viel Zeit zum lesen, uns und das Boot auf Vordermann zu bringen und die Route für die nächsten Wochen abzustecken. Jetzt könnte man sagen es sind Urlaubstage, aber eigentlich auch nicht anders als sonst, wo wir je nach Ort und Begebenheiten mehr oder weniger segeln und uns wenn immer möglich, auch an Land was anschauen. Wir haben unseren Rhythmus gefunden, immer mit einem Auge auf den Wind gerichtet und immer bereit wenn erforderlich auch rasch aufzubrechen und einen anderen, sichereren Hafen anzulaufen. Reisen, so wie wir uns das gewünscht haben mit ausreichend Zeit um nicht jeden Tag mit Aktivitäten voll zu stopfen und auch bei unmöglichen Bedingungen segeln oder motoren zu müssen. Wir sind in der glücklichen Lage es uns weitgehend aussuchen zu können, das ist unser Luxus.